Die ersten zwei Arbeitstage liegen hinter mir. Tage, welche nicht die erhoffte Klarheit über meine Aufgaben und Projekte bei AgeSong brachten. Dennoch möchte ich sie nicht missen.
Für die Mitarbeiter dieser Community – auch genannt „Interns“ – ist es ebenso wenig einfach, das Projekt „Deutsche Freiwillige bei AgeSong“ erfolgreich in den Alltag zu integrieren, als es das Zurechtkommen mit ungeklärten Themen und Sachverhalten für uns ist. Es hat Umstrukturierungen innerhalb der Institution gegeben. Neue Mitarbeiter lösten alte ab, Senioren wurden umquartiert, neue Senioren zogen ein. Trotz Stress und Durcheinander wird an Freundlichkeit und lächelnden Gesichtern nicht gespart. Das erleichtert einiges.
Aller Anfang ist schwer
Gleich am Montag wurde deutlich, dass sich keiner so richtig für uns zuständig fühlte oder ein wenig Ahnung hatte, wie wir eingesetzt werden sollten. So begann unser erster Arbeitstag dem Zusammenbauen von Umzugskisten und dem Sortieren von alten Akten. Zwei „Challenges“, wie unser neuer Chef es grinsend nannte. Ich habe mich ein bisschen auf den Arm genommen gefühlt.
Der zweite Teil des Tages bestand aus Small-Talk mit den Senioren, was sich als durchaus schwierig erwies. Außer das Wetter, den Gemütszustand oder den Lebenslauf vielen mir auf Anhieb nicht all zu viele Gesprächsthemen ein. Warum das problematisch war? Nun ja, es ist nicht einfach, mit Menschen zu reden, die man nicht kennt und die einem noch vollkommen fremd sind. Dazu in einer anderen Sprache. Komplizierter wird es jedoch erst richtig, wenn die jeweiligen Gesprächspartner entweder nicht antworten oder gar nach fünf Minuten vergessen haben, was vorher gesagt worden war und erneut anfangen zu fragen, wer man sei. Ich hoffe trotzdem, dass die Leute sich über die gemeinsame Zeit freuen.
Am Nachmittag durften wir auf einen Ausflug mit. „An Bord“ des AgeSong-Vans sechs Senioren, eine Freiwillige aus Malaysia, wir und Sushi, Chef der ganzen Tour. Über die Bay Bridge hin weg hatten wir einen absolut traumhaften Blick auf die Golden Gate Bridge und Alcatraz, tief im weißen, wolkenähnlichen Nebel eingehüllt. Nur noch die Spitzen der Brücke waren zu sehen. Ringsherum war es jedoch klar und sonnig.
Nach circa 40 Minuten Fahrt erreichten wir unser Ziel. Ein Hundepark. Nunja, ein solcher Park ist gewöhnungsbedürftig. Hier haben die Hunde das sagen. Spielen, raufen und bellen so viel sie wollen. Eine schöne Idee, als menschlicher Besucher sollte man beim Spazieren gehen jedoch genau darauf achten, was sich auf Weg und Wiesen befindet. Natürlich stand auch hier wieder das Plaudern mit den Senioren im Vordergrund. Diesmal hatte ich einen pessimistischen netten Herrn an meiner Seite. Eine gelungene Abwechslung zum Selbstgespräch.
Um noch ein bisschen abzuschalten, erkundeten wir nach unserem frühzeitigen Abendessen noch ein wenig die Gegend. Wie es sich gehört gelangten wir natürlich genau in die Gegend San Franciscos, die nicht so sehr für zwei blonde junge Frauen geeignet ist. Dieser Teil der großen Market Street war Raum der farbigen und ärmeren Bevölkerung. Wie gut, dass es viele Querstraßen zum Abbiegen gibt.
Über die Hyde Street, durch die Serie „Charmed“ bekannt geworden, Berg auf, Berg ab, an Cables Cars vorbei, traten wir kurz vor Chinatown den Rückweg an. Eine solch kleine Tour durch San Francisco kostet schon etwas Kraft. Ein gutes Work-out nach der Arbeit.
Spiel, Spaß – Senioren eben
Der Dienstag gestaltete sich etwas arbeitsintensiver. Auf dem Plan standen nach dem täglichen Meeting der „Internes“: Spaziergang mit einem Senioren und dessen Hund – wobei bei allen hygienischen Vorschriften es höchst sonderbar ist, dass Haustiere hier wohnen dürfen. Anschließend Sport und Spiel mit freiwilligen Bewohnern, die ordentlich Kraft in Tennisschläger und Ballon investierten. Um nach der Mittagspause wieder gemütlich in die Arbeit einzusteigen durfte das Akten ordnen natürlich nicht fehlen und Musik und Gesang brachte dann den Höhepunkt des Tages. Es war schön, auch eingeschränkte Menschen so fröhlich und frei auf einen Xylophon spielen zu sehen. Zum Schluss gab es noch eine Einladung zum Bandkonzertes des Musiktherapeuten Ian Donnerstag Abend. Auch wenn ich wohl allein gehen muss, denn meiner Mitfreiwilligen fehlen noch drei Jahre bis zur amerikanischen Volljährigkeit. Und bis dahin sind Bars tabu.
Licht im Dunkeln
Kurz vor Feierabend fühlte sich endlich jemand verpflichtet, uns einmal mehr über AgeSong, die kommenden Tage und die Gegend zu erklären. Sie fragte nach unseren Erwartungen und Vorstellungen, stellte uns einen kleinen Ablaufplan bis Sonntag auf und zeigte uns zum Schluss noch Supermarkt, Busfahrplan und Waschsalon. Ob das jetzt etwas beruhigender war, weiß ich noch nicht. Zumindest ist es schön zu wissen, einen direkten Ansprechpartner zu haben.
Morgen werden wir außerhalb mit einigen Senioren essen gehen. Man hat uns schon vor der Neugier und Gesprächsbereitschaft der Damen und Herrn gewarnt. Was denken sie wohl über uns, was werden sie fragen und wissen wollen?
Für heute heißt es erst einmal durchatmen und entspannt in den Abend gehen. Besuch wird kommen, ein Bekannter und ehemalige Bewohner der Stadt. Ich freue mich darauf, ihn mit Fragen zu löchern und so ein Stück mehr über Leben und Arbeiten in San Francisco zu lernen. Denn die USA ist wirklich anders als die anderen.