Ein Blick auf den Kalender verrät, dass nun bereits zwei Wochen vergangen sind. Noch immer ist unsere Wohnsituation ungeklärt. Sie suchen noch. Nun doch nach einem Appartement. Wir hoffen noch immer inständig auf zwei kleine separate Zimmer. Dies bleibt wohl eher Wunschdenken. So langsam findet sich die ein oder andere versteckte Ecke zum Telefonieren, Chatten, Filme gucken oder einfach nur Abstand nehmen. Das ist hier wirklich notwendig. Wohnen und arbeiten am selben Ort heißt, 24 Stunden am Tag Freiwillige zu sein ohne Auszeit. Immer lächelnd, immer zuvorkommend. Schon am frühen Morgen noch vor dem ersten Schluck ungenießbaren koffeinfreien Kaffees Offen sein für alles und jeden. Es ist nur übergangsweise, hieß es, so circa eine Woche. Die Dritte steht bereits in der Tür.
Der am Dienstag erstellte Stundenplan scheint alles andere als projektbezogen zu sein. Aufpassen auf mental eingeschränkte Senioren und Small Talk verdrängen Kunst und Kultur, Event- und Wochenplanung. Wir müssen die Leitung AgeSong’s verstehen. Als Freiwillige füllen wir ein Lack in der Pflege und Fürsorge der Bewohner. Dies sei eine Ausnahmesituation, natürlich nicht für ein ganzes Jahr. Und für wie lange dann? Ein Monat, ein Vierteljahr?
In einer E-Mail teilte ich unserer Ansprechpartnerin und pädagogischen Betreuerin vor Ort die momentane Situation mit und bat um Unterstützung. Unser Einsatzgebiet soll noch einmal geklärt und an die Projektbeschreibung angepasst werden. Sie würde sich nächste Woche darum kümmern.
Ein Schritt in die richtige Richtung?
Nachdem wir in den letzten Tagen immer wieder fragend von Pflegern und Krankenschwestern angeschaut worden waren spürten wir deutlich, dass wir überflüssig sind. Es verschlug uns genervt und gelangweilt in die hauseigene Bibliothek. Dort gab es vielmehr als nur Bücher. An einem kleinen Schreibtisch und am Laptop arbeitend, lernten wir Sharon kennen. Sie hörte sich all unsere Bedenken und Befürchtungen an, hatte Verständnis und brachte mit weisem Ratschlag Licht ins Dunkle. Ein Gespräch musste her. Eine Klärung der Rahmenbedingungen, Einsatzbereiche und Vertragsinhalte. „Assertive!“ sagte sie. „Seid bestimmend, fordernd, selbstsicher, aber fair! Setzt euch durch. Ihr seid hier, weil AgeSong euch durch ein Projekt begeistert hat. Eine komplette Änderungen des Arbeitsfeldes hätten sie euch rechtzeitig und noch vor der langen Reise mitteilen müssen.“
Das gewollte Gespräch kam schneller als erwartet. Zwei Stunden später fanden wir uns im Büro des Community-Leiters Jim wieder. Er hörte sich alles in Ruhe an. Von unserem geplanten Einsatz am Wochenende, von dem wir erst kurzfristig und durch Zufall erfahren hatten, bis hin zum Füttern einzelner Bewohner. Ich bewundere jeden, der älteren und kranken Menschen mit solcher Unterstützung helfen kann. Mir bereitet diese Arbeit Probleme. Zu meinem Erstaunen wusste Jim weder genaueres von unserem neu erstellten Stundenplan noch hatte er mitbekommen, welche Aufgaben wir Tag für Tag erledigen sollen. Er wollte alles noch einmal mit den zuständigen Interns besprechen, unseren Plan umstrukturieren und mehr an unser Projekt anpassen. Das dies bis dato noch nicht erfolgreich geschehen ist mag wohl daran liegen, dass weder unsere Bewerbungen noch die Stellenausschreibung jemals von den Mitarbeitern hier gelesen worden war. Von unserem Vertrag mal ganz abgesehen.
Wie es nun in Zukunft weiter geht, ist fraglich. Aus den Erfahrungen der letzten zwei Wochen heraus bin ich skeptisch bezüglich einer kurzfristigen Problemlösung. Wir werden sehen.
500 Wörter für die Welt
Die nächsten Tage kämpfe ich mit einer ordentlichen Erkältung. Ich versuche nicht zu sehr mit den Senioren in Kontakt zu treten, was sich als ziemlich schwierig erweist. Mit Hausmitteln dagegen anzukämpfen, lässt sich hier nicht realisieren – ohne Küche oder der Möglichkeit, Nahrungsmittel vernünftig zu lagern. Ich hoffe bis zum Wochenende fit zu sein. Wir wollen shoppen gehen und das zweitgrößte Chinatown nach New York besichtigen.
In Zukunft werde ich den ein oder anderen Text für die Internetzeitung „AgeSong today“ schreiben. Hier die deutsche Version meines ersten veröffentlichten Artikels:
„Zwei Wochen liegen bereits hinter mir. 14 Tage mit neuen Eindrücken, Menschen und neuem Umfeld. Ein Jahr lang wird San Francisco mein zu Hause sein. Ich komme aus Deutschland und absolviere in den nächsten 12 Monaten meinen Internationalen Jugendfreiwilligendienst bei AgeSong Senior Communities.
AgeSong liegt das Befinden der Senioren sehr am Herzen. Im Vordergrund stehen nicht Krankheiten, mentale Probleme oder Schwächen. Mit einem auf die Senioren abgestimmten Wochenplan werden körperliche und psychische Fähigkeiten der Bewohner gefördert. Sie fit zu halten ist das Ziel. Sie sollen sich nicht abgeschoben oder allein fühlen. Durch das bilden kleiner Wohngemeinschaften in Doppelzimmern oder Gruppenaktivitäten wie Touren mit dem Van, einer Tea Party oder den wöchentlichen Poker Games werden die Senioren zu einer kleinen Familie. Der individuelle Umgang mit jedem einzelnen hat mich beeindruckt. Hier wird die Meinung der Senioren respektiert, ihr Wille steht im Vordergrund, gezwungen wird hier niemand. Es kann sehr hart sein, wenn sich Wünsche ständig ändern, Stimmungen schnell kippen und Bedürfnissen nicht immer nachgegangen werden kann.
Dennoch lohnt sich jede Arbeit in dem Moment, wenn sie Lächeln, sich freuen oder einfach nur die Hand nehmen und sagen: „Danke“. Ich werde bei AgeSong at Laguna Grove im kulturellen Bereich tätig sein. Mit Spiel, Sport und Spaß möchte ich den Senioren den Tag versüßen, mir von ihnen zeigen lassen, was leben in den USA bedeutet und auch ein Stück meiner Kultur weitergeben. Ich finde es schön auch hier zu sehen, dass man sich um die Menschen im Alter kümmert und sie lieb gewinnt. Sie werden akzeptiert, egal wie jung, wie gesund oder wie fit sie psychisch noch sind. Wenn ich einmal älter bin, hoffe ich auch auf solche Unterstützung. In Deutschland gibt es auch Institutionen wie AgeSong, die sich um die Senioren kümmern und für sie sorgen. Es ist nicht nur eine Unterkunft, ein Bett und etwas zu essen. Es ist die Fürsorge, das Zusammensein und das Gefühl, wichtig zu sein. AgeSong Senior Communities zaubert jedem ein Lächeln ins Gesicht und bringt Senioren und Angehörigen Sicherheit und Verständnis entgegen.
„AgeSong has created a place of healing and support for the aging … a place where people feel valued“ – Family Member”
Original: agesongtoday.com
.