10 days

Noch vor ein paar Wochen schien die Zeit unendlich lang zu sein. Mit neun Wochen habe ich angefangen, rückwärts zu denken. Noch zwei Monate, noch 6 Wochen, noch 5… Ich war mir nicht sicher, ob ich alles pünktlich beisammen haben würde, die Liste war schließlich nicht grade kurz.

Doch schauen wir auf heute. Zehn Tage vor Abflug ist soweit alles komplett. Selbst an eine Armbanduhr wurde noch gedacht. Ich hoffe, meine noch verschwundene Kamera wieder zu finden, um nicht ohne da zustehen. Oder doch gleich noch eine Neue kaufen?

Pläne für die letzten Tage. Morgen geht es mit meinem Papa in die Oberlausitz. Nach Sohland an der Spree, einem kleinen Dorf an der Grenze zu Tschechien. Ein Tag im Grünen, wo Vögel zwitschern und die Kirchturmglocke zu hören ist. Noch eine Woche und drei Tage. Vor mir liegen Großstadtcharme und reges Treiben.

„Wir sehen uns in einem Jahr“…

Am Sonntag kommen noch einmal all meine Liebsten zusammen. Brunchen im engsten Freundeskreis. Ich möchte mich nicht groß verabschieden. Es ist doch schließlich nur ein Jahr. Wir werden schreiben, skypen, der ein oder andere kommt zu Besuch. Sich gemeinsam freuen, Pläne schmieden für Ausflüge und Abenteuer 10.000 Kilometer weit entfernt – das würde ich mir wünschen.

Dass es so langsam ernst wird, spüre ich deutlich. Nach und nach sieht man Familie und Freunde ein letztes Mal. Sie drücken die Daumen, dass alles klappt. Wünschen mir eine gute Reise und  wunderbare Zeit mit vielen Eindrücken und neuen Erlebnissen. Erst gestern umarmte ich einen besonderen Menschen, der mich in den letzten sieben Jahren durch alle Höhen und Tiefen begleitet hat. „Wir sehen uns in einem Jahr“, habe ich gesagt. Irgendwie unglaublich, aber wahr…

Countdown: 14 days

Augen auf, ein Blick auf die Uhr und der Tag beginnt strahlend und gut gelaunt. Warum? In 14 Tagen würde ich schon deutschen Boden verlassen haben und in mein neues Leben fliegen. Nur noch zwei Wochen!  Wird die Reise problemlos verlaufen? Was erwartet mich wohl in San Francisco? Wo werde ich wohnen, was werden meine Aufgaben bei AgeSong Senior Communities sein? Erst vor zwei Tagen kam die Info, in welcher Community meine Mitfreiwillige und ich arbeiten werden. Mitten in San Francisco City. Wahnsinn.

Ich bin gespannt, wie das Leben in Kalifornien wohl sein wird. Ich habe so viel von der lockeren Lebensweise und Freundlichkeit der Menschen in der Bay Area gehört. Ein Lächeln ist die halbe Miete beim Knüpfen von neuen Kontakten, heißt es.

Die letzten Tage sind zum Genießen da

Doch heute stehen erst einmal braten, backen und kochen auf dem Programm. Zwar dreht sich bei mir alles nur noch um meine große Reise, San Francisco und was ich noch alles erledigen muss, aber auch hier habe ich noch einiges vor. Mit Brötchen, selbst gemachtem Kartoffelsalat und Keksen geht es morgen zu Holzachterbahn, Krake und Wildwasserbahn. Lange habe ich auf diesen Familienausflug gewartet. Mit Eltern und Freundin Anne in den Heidepark Soltau!

Auch das gehört dazu…

Abends allein vor dem Fernseher träumend schießen mir auch andere Gedanken durch den Kopf. Natürlich ist die Aufregung groß, die Vorfreude unübersehbar und die Spannung auf das, was kommt, überall spürbar. Und trotzdem weiß ich, dass dies für die nächsten Monate der letzte Ausflug mit Familie und Freunden sein wird. Anne zieht es nach Tokyo/ Japan. Das bedeutet für uns 16 Stunden Zeitunterschied.

Und meine Familie? Nun ja, Kalifornien ist nicht  grad um die Ecke. Ist auch nicht Frankreich oder Spanien, wo ein Kurzurlaub gut denkbar wäre.

Ich finde es gut, alleine zu reisen, mir mein eigenes Leben aufbauen zu können in einer fremden Umgebung mit neuer Kultur und Lebensweise. Aber fehlen werden sie mir trotzdem. Wäre ja auch schlimm, wenn nicht, oder? Vor allem mein Häschen werde ich vermissen. Und doch bin ich mir sicher: besser als hier kann es Liva nicht haben. Und wann waren die Kommunikationsmöglichkeiten wohl besser als heute?

Ausreiseseminar

Er wackelt, ist mürbe, hält dem gewaltigen Druck kaum noch stand. Ameisen krabbeln an unseren Füßen hoch und erschweren uns, das Hindernis zu bewältigen. Nicht locker lassen oder aufgeben. Zusammenhalten heißt es. Nur gemeinsam können wir uns auf dem zehn Zentimeter breiten Baumstamm halten und jedem Einzelnen helfen, seinen Platz zu erreichen. Es dauert seine Zeit, braucht Geduld und den ein oder DSC_0103_2anderen klaren Bewältigungsvorschlag, bis sich 25 junge Menschen dem Alter nach geordnet auf einem Baumstamm sortiert haben ohne ihn auch nur ein einziges Mal zu verlassen. Was wir hier machen? Unser 12-tägiges Ausreiseseminar!

Gemeinsam mit dem Programm „weltwärts“ bereiten wir uns auf unseren Internationalen  Jugendfreiwilligendienst (IJFD) in der Jugendbildungsstätte Peseckendorf vor. Unsere kleine Gruppe von neun jungen Leuten wird es für 6-18 Monate nach Kreisau (Polen), Hongkong (China), Mosambik (Südostafrika), Athen (Griechenland) oder San Francisco (USA) ziehen. Wir wollen in Kultur und Bildung selbst aktiv werden, allein oder im Team Projekte verwirklichen, Erfahrungen in neuen Ländern mit anderen Kulturen sammeln, soziale und interkulturelle Kompetenzen erweitern und uns für die Gemeinschaft engagieren. Das Ausreiseseminar soll uns helfen, Unklares zu ordnen, Antworten auf Fragen zu finden. Die Neuheit des IJFDs macht ihn so reizvoll und doch ist er in seiner Durchführung noch flexibel und ausbaufähig. Nach 12 Tagen etwas Sicherheit im Hinblick auf unseren Auslandsaufenthalt-das erhoffen wir uns.

Das Programm

Unser Programm ist alles andere als trocken, langwierig und straff. Durch Lena von der LKJ Magdeburg und Georg, einem ehemaligen „weltwärts“ Freiwilligen in Laos, wird Theorie greifbar und verständlich. Was bedeutet Selbsterfahrung und -wahrnehmung?  Welche Bedeutung haben „Gender“ und „Entwicklungszusammenarbeit“? Und wie passen Kommunikation und Konflikte oder Kooperation und Teamarbeit in unseren Alltag? Die Themen helfen uns, über den Tellerrand hinauszuschauen. Der Kreativität unseres Programmes sind keine Grenzen gesetzt. Mit warm up‘s, Spielen, künstlerischer Gestaltung oder auch intensiven Diskussionsrunden lernen wir jeden Tag mehr über uns, unser Umfeld und unser Wirken auf andere Menschen. Referenten kommen als Gäste und bringen neue Impulse und Ideen mit. Je länger wir zusammen sind und je mehr Aufgaben wir als große Gruppe bewältigen müssen, umso eingespielter ist unser Team. Feedbackrunden reflektieren unser Wirken auf Andere und nach und nach können wir immer mehr die Themen und unseren anstehenden Freiwilligendienst miteinander verknüpfen.

Die „weltwärts“- Freiwilligen hatten das Glück, einen Tag ganz ihrem zukünftigen Zielland zu widmen. Referenten  und ehemalige Freiwillige der jeweiligen Einsatzländer kamen zu Besuch und gaben Antwort auf noch so kleine Fragen. Da der IJFD noch in den Kinderschuhen steckt, gab es für uns diese Möglichkeit noch nicht, aber wir freuen uns, zukünftigen IJFD’lern diese Tür zu öffnen, indem wir in einem Jahr als ehemalige Freiwillige fungieren können.

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Was gehört neben Wissensvermittlung und Horizonterweiterung noch zu unserem Ausreiseseminar? Unsere gemeinsamen Abende natürlich. Sie sind weder festgelegt noch verplant. Wir haben die Möglichkeit auf Spiele, Sport, Filmabende, aber auch Grillen, sitzen beim Lagerfeuer und Gitarrenklang. Ein kleines Highlight war die Nachtwanderung, ohne Worte, Hand in Hand über Stock und Stein, auf dem Feld und durch den dunklen Wald. Wir sind eine Gruppe mit dem gleichen Ziel. An diesem späten Abend war das deutlich zu spüren.

In den letzten Tagen des Seminars standen noch Themen wie Gesundheit und Sicherheit, Privilegien und Macht aber auch eine konsumkritische Stadtführung durch das naheliegende Magdeburg auf dem Plan. Woher kommt die Jeans? Wie sorge ich für mich in meinem Einsatzland? Was verbirgt sich hinter dem Begriff “interkulturelle Kompetenzen”? Die Präsentation der Wochenaufgabe an unserem letzten Abend verleiht dem Seminar den letzten Schliff. Bald trennen sich unsere Wege. Wir werden uns wieder sehen, in 12 Monaten zum Rückkehrseminar. Mit vielen Erfahrungen, Erlebnissen und neuen Perspektiven.

 

 

 

during the past few months…

Visum? – Häkchen. Flug? – Häkchen. Impfungen und Reiseapotheke? – Häkchen, Häkchen. Meine Checkliste betrachtend bin ich eigentlich gut dabei. Was mache ich nur in den letzten 15 Tagen auf deutschem Boden? Eigentlich kann ich meiner Reise ganz relaxed entgegen schauen. Doch die letzten Monate waren alles andere als entspannend…

Ich überspringe mal die Bewerbungsphase, denn ich denke, dass es ganz logisch ist, nicht nur eine einzige Bewerbung zu schreiben. Oft auch in die jeweilige Landessprache übersetzt.

29. Juni 2012, 21.58 mitteleuropäischer Zeit:

Nach langem Warten und ungeduldigem checken der E-Mails im Minutentakt war es endlich soweit. Die Zusage von AgeSong Senior Communities lag in meinem Postfach. Ein Jahr San Francisco, leben und arbeiten in den USA! Ich bekomme tatsächlich die Möglichkeit dafür. Eine ruhige Nacht an dem Tag? – Ausgeschlossen.

Ein paar Tage später ging es in die Vorbereitung: Mein Checkliste entstand und wurde immer länger und länger… Ich habe viele Stunden im Internet verbracht. Was muss ich bedenken, wenn ich in den USA leben will? Gibt es bestimmte Voraussetzungen und Formalitäten? Was gibt das Auswärtige Amt über diese Region an? Und wie sind bestimmte Gewohnheiten, die ich beachten muss? Dazu kamen Passbeantragung, Führerscheinreglungen, Zollbestimmungen für bspw. Medikamente, Gepäckvorschriften, Kommunikationsmöglichkeiten nach Hause, Internetverbindung,  Ärztebesuche vor dem Flug und natürlich shopping. Auch wenn ich nicht alles für ein ganzes Jahr neu kaufen kann und will, so sammelt sich doch einiges an, was gebraucht wird. Und das Ganze auch noch angepasst an die Gepäckregelungen der Airline.

Fliegendes Chaos

Ich dachte anfangs, den Flug bei Lufthansa zu buchen wäre besonders clever, weil ich dort gleich einen guten Ansprechpartner hätte. Aber Fehlanzeige. Um heraus zu bekommen, wie viel Gewicht ich mitnehmen darf, musste ich gefühlte hundert Mal die Servicehotline anrufen und habe wohl im Endeffekt mehr Gebühren in diese Anrufe investiert, als mich das zweite Gepäckstück letztendlich kostet. Wo das Problem lag? Ich habe auf der Lufthansa-Internetseite einen Flug gebucht, der zwar eine Lufthansa Flugnummer trägt, jedoch von zwei verschiedenen Airlines schließlich geflogen wird: einmal British Midland International und einmal United Airlines. Nachdem ich auch direkt bei den anderen Airlines in UK und den USA angerufen hatte und Lufthansa sich nicht einig wurde, musste ich einer der mir gegebenen Antworten Vertrauen schenken und hoffe jetzt, die richtige Wahl getroffen zu haben. Spannung bis zum Schluss!

Eintrittskarte ins Land der unbegrenzten Möglichkeiten

online

Am Wichtigsten war jedoch zunächst das Visum B1/B2. An die Beantragung des Reisepasses hatte ich bereits gedacht. Die biometrischen Passbilder mit den Vorschriften der USA waren gewöhnungsbedürftig, aber nicht hässlich. Da ich niemanden kannte, der schon einmal einen IJFD absolviert hat, recherchierte ich allein nach den auf mich zutreffenden Bestimmungen. In der Beschreibung stand, dass es durchaus 8 Wochen bis zur Genehmigung dauern kann. Ziemlich knapp, wenn ich Anfang September fliegen will. Der Antrag im Internet nahm eine ganze Menge Zeit in Anspruch. Viele Fragen musste ich mehrmals beantworten, Fragen zu terroristischen Absichten meinerseits und seitens meiner Familie waren schon – ich sag mal – komisch. Aber nun gut, die Geschichte betrachtend auch nachvollziehbar.

Interview

Um keine Zeit zu verschwenden, nahm ich einen Interview-Termin im US-Konsulat in Frankfurt am Main in Anspruch. Berlin wäre von Magdeburg aus zwar deutlich näher gewesen, aber da hätte ich erst Anfang August hinkommen können. Das Risiko wollte ich nicht eingehen. Ich hoffte, alle Dokumente vollständig dabei zu haben und betrat mit leichtem Bauchkribbeln die Botschaft. Es gab intensive Sicherheitskontrollen am Eingang – keine Metallsachen, elektronische Geräte, Waffen etc. Ich habe meinem draußen wartenden Vater alles übergeholfen, was ich hatte und trug nur noch die Papiere in der Hand. Und ich piepste bei der Kontrolle trotzdem. Die Security sah mich skeptisch an, bis sie feststellte, dass ich einen kleinen Metallanhänger an den Schuhen trug. Als ich durch gewunken wurde, fiel mir ein Stein vom Herzen. Ich ging rüber zu einem anderen Gebäude, wo zwei riesige Kerle mit kugelsicheren Westen den Eingang bewachten. Schon eindrucksvoll.
Alles in allem dauerte mein Aufenthalt im Konsulat eine Stunde. Warten, kurz am Schalter 3 Fragen beantworten, warten, Fingerabdrücke geben, warten, nochmal Abdrücke geben, weil die Hände erst zu kalt und zu trocken waren, warten, neuer Schalter, wo mir dann gesagt wurde, dass auf dem Dokument meiner Entsendeorganisation mein Geburtsort und die deutsche Adresse fehlten. Das musste ich jetzt ganz schnell nachreichen. Und genau deshalb war es gut, in Frankfurt den Termin genommen zu haben. So hatte ich noch etwas Karenzzeit bis zum Flug. Und in Frankfurt hatte ich einen wirklich coolen Sachbearbeiter.

Pünktlich

Noch vor meinem zweiwöchigen Ausreiseseminar Anfang August lag mein Visum im Briefkasten. Das war eine Erleichterung. Jetzt schienen Themen wie Unterkunft, Vertrag und Gepäckbestimmungen erst einmal weniger wichtig.IMG_0338_2gepixelt