pre-Christmas

Die in dichtem Nebel P1010232_2eingehüllte Bay Bridge erscheint am heutigen Morgen grau und kalt. Langsam drängt sich der dichte Verkehr in Richtung San Francisco. Auch mit fünf Fahrspuren kommen wir des Öfteren zum Stehen, kleine Drängler machen es nicht grade einfacher. Wie schön war die Brücke nachts hell erleuchtet, der Himmel klar, die Sicht auf die Skyline der Stadt unbeschreiblich. Von einer kleinen Insel aus – Treasure Island genannt und ehemaliger Navy Stützpunkt – hatte ich einen wunderbaren Blick auf San Francisco und die Bay Area. Kreuzfahrtschiffe legten ab, kleine helle Flugzeuge flogen über uns hinweg, die Bay Bridge unter uns glänzte. Ein kleiner Genuss unterm Nachthimmel nach einem langen Arbeitstag.P1010218_2

P1010243_2Inzwischen ist meine Zeit hier überschaubar. Und dennoch gibt es vieles, was ich noch sehen und erleben möchte. So fuhren wir Samstag zu den berühmten kalifornischen Redwoods, den wohl größten Bäumen der Umgebung. Einmal richtig durchatmen, der Genuss der Natur, den Duft von Erde und Tannen, Laub und Pilzen. Wir liefen eine Weile einen kleinen Waldweg entlang. Gespannt schaute ich mich um. Ich wollte sie nicht verpassen. Die großen Redwoods. Stolz wollten mir meine Begleiter diese Bäume präsentieren. Nach einer guten halben Stunde wurde ich ungeduldig. Ist der Weg noch weit bis zu unserem Ziel? Mit verwunderten Blicken sahen sie mich an. Sie wussten nicht ganz, was ich meinte, worauf ich hinauswollte. Jetzt endlich verstand ich alles. Wir waren bereits mittendrin. Der ganze Park bestand aus den berühmten kalifornischen Küsten-Mammutbäumen. Ein bisschen enttäuscht war ich schon. Der Wald glich einem typisch deutschen Mischwald. Zum Genießen und Entspannen einfach schön, jedoch für mich nichts Besonderes. Eigenartig für mich hingegen ist ein Garten in unserer Nachbarschaft mit einem Laubbaum, einer Tanne und einer riesigen Palme. Nadelbaum und Palme? Für mich eine seltsame Kombination.P1010247_2

Thanksgiving liegt hinter mir – das amerikanische Fest schlecht hin. In vielen Familien wird es hier größer gefeiert als Weihnachten. Ich hatte das Glück, dieses Event in einer richtigen amerikanischen Großfamilie feiern zu können mit einem großen Truthahn, vielen Extras, Kuchen, Marmelade und für mich bis heute undefinierbaren Köstlichkeiten.

Die ältere Generation an dem einen Tisch schwelgte in Erinnerungen, die Anderen lachten und diskutierten auf dem Sofa. Die Jüngsten verfolgten gespannt das Football Spiel im Fernsehen auf dem Fußboden im Wohnzimmer. Der flauschige Hund Railay wusste nicht, wo er zuerst hinschauen sollte. Zu viele Menschen, zu viele Gerüche und zu viel Essen. Schnell leerten sich Sekt und Bierflaschen, in die kleinen Schokoladenkugeln wurde genüsslich hineingebissen. Ich staunte nicht schlecht, als ich die riesige Schale mit „Lindt“-Pralinen vorfand. Solche Köstlichkeiten kosten hier in der Umgebung schon ein kleines Vermögen. Aber die Amerikaner lieben deutsche und schweizerische Schokolade über alles. Nur die Kombination mit Peanut-Butter war mir neu – und nicht unbedingt mein Favorit.

Zwei Wochen zuvor wurde der Mittwoch zu meinem kleinen persönlichen Highlight. Mit 6 Kilogramm Mehl, 1 Kilo Butter, 2 Liter Milch, fast 2 Kilogramm Rosinen und weiteren Zutaten widmete ich mich meinem Projekt „Stollen backen für AgeSong“. Mit dem von mir heißgeliebten Stollenrezept meiner Oma und Uroma wollte ich ein Stück deutsche Weihnacht nach San Francisco bringen. Vom Umrechnen der Zutaten in die US-amerikanischen Einheiten, dem Besorgen aller Zutaten bis hin zu meiner kleinen Weihnachtsbäckerei brauchte es seine Zeit und ein bis zwei kleine Helfer mit guten Beziehungen zu den verschiedensten Läden der Stadt. Am Mittwoch hatten wir alles beisammen. Alles? Nicht ganz, es fehlte die Hefe. Feuchthefe, doch so etwas gibt es hier kaum. Wie sollte ich also Trockenhefe in Feuchthefe umrechnen und die benötigte Menge bestimmen? Wie gut, dass es Laptops und Skype gibt. Mit einem Mal wurde meine ganze Familie aktiviert. Wer konnte mir weiter helfen? Wer wusste Bescheid? Wer hatte die Antwort parat? Zehn Minuten später der erlösende Anruf. Wer könnte es besser wissen als Omas? Mein Projekt war gerettet. Es konnte weitergehen.

Als auch die unerwartet großeP1010193_2 Menge an Trockenhefe vorhanden war, mahlte ich Mandeln, wog die Zutaten ab, erwärmte die Butter und fügte schließlich alles in einer großen Box zusammen. 6 Kilogramm Mehl zu kneten und alle Zutaten gleichmäßig zu vermischen, war nicht leicht. Allein dafür brauchte ich beinah 45 Minuten. Erst musste die Hefe gehen, dann auch der Teig. Immer wieder 45 Minuten warten, hoffen, dass die Hefe aufgeht, der Teig wächst. Wie erleichtert war ich, als ich drei große Bleche voller Stollen nach sechs Stunden Arbeit aus dem Ofen holen konnte. Sie sind nicht verbrannt, nicht zu hart und nicht zu weich. Als ich sie in Folie einwickelte und behutsam im Regal verstaute, musste ich lächeln. Ein bisschen stolz war ich schon auf mich. 6 Stunden Stollen backen, allein und ohne Hilfe. Ob sie wirklich schmecken werden? Wir werden sehen, wenn sie am 11.12. aus dem Regal geholt werden und wir sie zu unserem „Deutschen Weihnachtsfest“ bei AgeSong anschneiden. Ich bin schon jetzt gespannt.

Mein Weg führt mich durch die Straßen unserer kleinen Stadt. Langsam ersetzten bunte Lichter, Schneemänner und Zuckerstangen die Thanksgiving-Dekorationen. Erste Weihnachtsmänner leuchten auf den Dächern und kleine Rentiere verstecken sich zwischen Büschen und Bäumen. Es wird weihnachtlich in Alameda. Schon bald werden Häuser und Straßen hell erleuchtet sein. Ein kleines Highlight gibt es auch hier: eine einzige Straße, die besonders bunt, besonders kreativ und besonders hell erleuchtet und dekoriert sein wird. Die Bewohner der Straße haben in ihren Verträgen unterzeichnet und versprochen, die Straße ein weihnachtliches Highlight für Bewohner und Touristen werden zu lassen. Es soll ein überwältigendes Erlebnis sein.

Ein Vogelzwitschern weckt mich aus meinen vorweihnachtlichen Träumen. Es ist die Ampel. Hier in Alameda haben alle ‚Avenues‘ ein Vogelzwitschern und alle ‚Streets‘ einen Kuckuck-Ruf als zusätzliches Signal zum grünen Licht und dem Countdown, der anzeigt, wann die Ampel umschalten wird. So etwas gibt es nicht in San Francisco, der großen Stadt. Nein, solche Kleinigkeiten erlebt man nur in Orten, wie Alameda – einer Kleinstadt wie man sie aus Film und Fernsehen kennt.

new countdown

Langsam verdrängen Regenwolken und Nebel die letzten Sonnenstrahlen. Es wird kalt und nass in San Francisco. Ich genieße den ersten Regen, die ersten feuchten Füße auf dem nach-Hause-Weg, den Geruch von Laub und Feuchtigkeit. Durch die warmen, sommerlichen Tage bis in den November hinein hatte sich mein Zeitgefühl verschoben. Noch immer schien es, September zu sein, Spätsommer. Die Zeit schien einfach nicht voran zu schreiten. Dass in einem Monat Weihnachten vor der Tür stehen sollte, war bis vor wenigen Tagen noch unvorstellbar. Endlich kommen kleine Lichterketten und Dekorationen in den Schaufenstern zum Ausdruck. Das rege Treiben auf den Straßen gleicht Deutschland ungemein. Eingepackt in Jacken und Mänteln mit Regenschirmen in den Händen laufen die Menschen auf dem Bürgersteig, ohne nach links oder rechts zu schauen. Ganz wie zu Hause.

Die eigenen vier Wände

Ich schaue mich um. Unser kleines Appartement in Alameda – einer Kleinstadt außerhalb San Franciscos – ist warm, wenn auch spärlich eingerichtet. Gemeinsam mit meiner 18-jährigen Mitfreiwilligen bewohne ich hier ein kleines Zimmerchen mit zwei Betten Schränken und Nachtschränkchen. Es ist niedlich. Die breite Fensterwand lockert und hellt den Raum etwas auf. Jeglicher nächtlicher Lärm und der Kampf und etwas Privatsphäre scheinen vergessen zu sein. Kochen und das Aufbewahren von Nahrungsmitteln sind kein Problem mehr. Die Küche ist groß und geräumig. Nur die allzeit bewährte Mikrowelle fehlt.

Ein Appartement nur für uns zwei. Nachdem unsere geplante Mitbewohnerin nach fünf Minuten das Weite suchte, da ihr die Unterkunft zu abscheulich und ekelhaft vorkam, zog sie es vor, zurück in ein Hotel zu ziehen. Nicht einmal ihr Haushälter würde so leben müssen. Nun ja. Ihre Entscheidung, AgeSong binnen einer Woche verlassen zu wollen, fiel genau in diesem Moment.

Noch einmal Koffer packen – zum letzten Mal

Ich schaue auf meine kleine Kerze. Inzwischen hat sich ihr weihnachtlich süßer Duft im ganzen Zimmer verteilt. Vor mir eine Kiste, zur Hälfte gepackt. Eine Decke, dicke weiche Pullover, Handtücher, Bettlaken. In wenigen Tagen wird sie vollbepackt ihre lange Reise nach Deutschland antreten. Mit Sachen, die ich hier nicht mehr benötige. Die nicht in meine Koffer passen. Koffer… packen… das klingt nach reisen… Ich plane eine lange Reise. Nach Hause ohne Rückflugticket.

Fast 11 Wochen lebe ich jetzt in San Francisco. Die Arbeit bei AgeSong Senior Community ist nicht so, wie erwartet. Inzwischen zähle ich jeden Tag erneut die Stunden, schaue aller zehn Minuten auf die Uhr. Es gibt für uns hier kaum etwas zu tun. Tag für Tag sitzen wir im Keller in einer kleinen Bibliothek, arbeiten an unserer weihnachtlichen Präsentation, die bereits seit einigen Tagen fertig ist. Wir warten auf etwas Büroarbeit, die vielleicht irgendwo zu erledigen ist oder bereiten uns auf die ein oder andere Gruppe vor, die eigentlich keine Vorbereitung benötigt.

Für mich wird es von Tag zu Tag schwieriger, mit stark psychisch und physisch eingeschränkten Menschen zu arbeiten. Es ist nicht einfach zu sehen, dass es ihnen nicht mehr möglich ist, sich allein zu bewegen, selbstständig zu essen oder gar auf Fragen zu antworten. Wie schnell versterben hier Bewohner. Aktuelles Befinden wird schön geredet, vieles einfach hingenommen. Die gewünschte Nähe zu den Senioren zuzulassen, gelingt mir nicht. Oft gehe ich auf Distanz mit der Unsicherheit, den Menschen mir gegenüber zu verletzen. Ich weiß, wie sehr sich ältere und kranke Menschen freuen, wenn man einfach nur da ist, ihnen Gesellschaft leistet und Aufmerksamkeit schenkt. Ich bewundere jeden Mitarbeiter hier, der mit demenzkranken Menschen arbeiten kann und dies mit Hingabe tut. Umso erleichterter war es für mich zu hören, dass die Mitarbeiter von AgeSong auch meine Position nachvollziehen können. Nicht jeder kann tanzen, nicht jeder beherrscht die Formeln der Physik, nicht jeder spricht akzentfreies Englisch – und nicht jeder kann mit Leidenschaft in einem Seniorenheim arbeiten.

So genieße ich die letzten Wochen in San Francisco so gut es geht. Alcatraz und Cable Car stehen noch auf dem Programm. Im Golden Gate Park soll die California Academy of Sciences ein unbeschreibliches Erlebnis sein. Fünf Wochen vergehen schnell. Auch wenn ich hoffe, dass die Tage wie im Fluge vergehen, so soll dennoch genügend Zeit für Weihnachtseinkäufe bleiben. Mein Wunsch, einmal die Weihnachtszeit in Amerika zu verbringen, wird sich erfüllen. All die Kaufhäuser und Schaufenster werden nach Thanksgiving am Donnerstag hell erleuchtet, Weihnachtsmusik in jeder Straße zu hören sein. Abflug am 23.12.2012. Pünktlich zum Heiligen Abend werde ich in Deutschland bei meiner Familie sein. Eine perfekte Planung. Wenn auch durch unerwartete Umstände.

knight in shining armor

Zwischen Kisten und Akten, Papiervorräten und Kabeltechnik ist es ziemlich warm und stickig. Wir versuchen, uns bestmöglich zu konzentrieren. Schauen auf den Laptopbildschirm und ordnen Schritt für Schritt die Folien unserer Deutschland-Präsentation.  Es ist nicht leicht, einen Tisch zum Arbeiten zu finden, wo es gleichzeitig eine Internetverbindung gibt. Für uns gibt es einen solchen Platz nicht. Somit arbeiten wir in der kleinen Abstellkammer AgeSongs.

Mit kühlen Temperaturen zog der P1000962_2Herbst in San Francisco ein. Dicker Nebel breitet sich in den Küstengebieten aus. Nur noch selten sieht man Schiffe am Horizont des Pazifiks fahren. Morgens auf dem Weg zur Arbeit möchte ich meine warme Wetterjacke und die kleinen Handschuhe nicht missen. Auch Kalifornien ist nicht nur Sommer, Sonne und Strand. Zumindest San Francisco nicht.

San Francisco im Halloween-Fieber

Von den Unwettern an der Ostküste redet hier niemand. Im Gespräch ist das Baseball-Team der Stadt – die „Giants“ –, die als Favoriten der „World Series“ gelten. Halloween steht an mit großer ‚Giants‘-Parade in einer Stadt im Ausnahmezustand. Schon jetzt bin ich gespannt auf die vielen kostümierten Menschen, den Trubel in der City und den kleinen Kindern, die abends an jeder Haustür um Süßes bitten. Mein handgeschnitzer Kürbis wartet schon an der Tür.

P1000959_2Unsere kleine Halloween-Party im AgeSong—Café „Vergiss-mein-nicht“ ist bis auf Kleinigkeiten vorbereitet. Selbst der Fahrstuhl wurde mit Spinnennetzen und Fledermäusen verziert. Nebel und Kälte tragen zur optimalen Gruselstimmung bei.P1000972_2

Ein Herz für Robby und Co.

Unser Montagsausflug mit den Senioren führt uns heute nach Fort Cronkhite in Sausalito. Der Ort liegt auf der anderen Seite der Golden Gate Bridge – eine wunderschön hügelige Landschaft in der Bay Area. Viel Sicht hatten wir nicht. Ich habe erst spät erkannt, dass wir das Wahrzeichen San Franciscos überquerten, da mehr als die Randzäune in einem Radius von zwei Metern nicht sichtbar war. Unsere kleine Reisegruppe beschloss, das „Marine Mammal Center“ zu besuchen – einem Krankenhaus für Seelöwen und verunglückte, kranke Meerestiere.

Es war niedlich, die kleinen Seelöwen in ihrem kleinen Krankenhausbecken planschen zu sehen. Der Eine schwamm Runde für Runde im Wasser ohne Pause, der Andere genoss es, am Beckenrand  zu liegen und zu schlafen. Umso lauter beschwerte er sich, als sein „Beckenkamerad“ ihn zum Plaudern und Mitschwimmen animieren wollte.

Auf den Informationstafeln war kurz und knapp dargestellt, wie und warum sich das Marine Mammal Center um diese Tiere kümmerte. Viele Seelöwen sind durch den Müll der P1000982_2Menschen gefährdet, werden Opfer von Fischern oder leiden an Verletzungen, die sie sich draußen im Meer zugezogen haben. Die Mitarbeiter des Centers retten solche Tiere und bringen sie in dieses Krankenhaus. Die kleinen Seelöwen werden behandelt, wie Menschen: man operiert sie, gibt ihnen Medikamente, versorgt sie und macht sie wieder fit. Das Ziel soll die Freilassung in den Pazifik sein.

Ich war beeindruckt. P1000989_2Dennoch war die Ausstellung im Haupthaus etwas gruselig. Große und kleine Schädel, Organe in Gläsern aufbewahrt in den Regalen, Felle wie Teppiche auf den Schränken. Schilder wiesen darauf hin, dass es sich hierbei nur um Tiere handelt, die eines natürlichen Todes gestorben sind. Trotzdem war es ein trauriger Anblick.

Mit dem wöchentlichen Montagsausflug habe ich die Möglichkeit, immer neue Orte und Attraktionen der Bay Area kennen zu lernen und zu erleben. Ich hoffe, dass der starke Herbstregen, welcher bis in den Februar hinein reichen soll, noch lange auf sich warten lässt. Es gibt noch so viel zu entdecken…P1010022_2

breakfast table and a cup of coffee

Langsam legt sich der dicke Nebel über dem großen weiten Ozean. Die Sonne scheint mit aller Kraft und der Himmel ist klar und wolkenlos. Schiffe fahren am Horizont. Es ist Sonntag. Ein Sonntag, wie er sein sollte. Vergessen sind die kurzen, unruhigen Nächte der vergangenen Wochen. Auch wenn der Alltag für die Senioren hier gegen sechs Uhr morgens beginnt und es dementsprechend laut auf dem Flur wird, so ist es nachts still und friedlich. Inzwischen habe ich mich in meinem neuen Heim eingelebt, auch wenn es nur für einen kurzen Zeitraum sein wird.

Unser neues Appartement soll in einer kleinen Nachbarstadt liegen, in Alameda. Wenn alles klappt, ziehen wir am 11. November um. Wir werden sehen. Jetzt genieße ich erst einmal den Blick aufs Meer, am Frühstückstisch sitzend und einem frischen warmen Kaffee.

Kommen und gehen

Am Freitagmorgen wachte ich zum ersten Mal in meinem neuen Bett auf. Ich genoss ein Frühstück am Tisch mit einem richtigen Käsebrot, Tomaten und Kaffee. Auch wenn es hektisch war und wir etwas unter Zeitdruck standen – darauf wollten wir nicht verzichten. Wie erwartet kamen wir 20 Minuten zu spät zur Arbeit. Aufgefallen ist es keinem.

Stolz betrachtete ich unsere P1000915_2kreativen Werke im Keller AgeSongs. Nur wenige Pinselstriche fehlten noch. Die Hexe brühte vor sich hin, der Kürbis leuchtete im schönsten Orange und der Geist bekam große Augen und ein süßes Lächeln. Oben im Café standen Spinnennetze und Fledermäuse zum Dekorieren bereit. Alle packten mit an: ein Senior, ein Intern, Studenten der Universität und wir Freiwilligen aus Deutschland.

Die Zeit verging wie im Fluge. Meine Entspannungsgruppe stand an. Seit vier Wochen gehören dreißig Minuten mir und den Senioren ganz allein. Eine halbe Stunde abschalten, entspannen, atmen und den Alltag vergessen. Die dankbaren Augen der Senioren sind jeden Freitag erneut eine Freude.

P1000943_2Noch einmal setzten wir uns zu den Bewohnern in den Aufenthaltsraum – malten Kürbisse für unser Mobilee. So manche Dame macht sich zum ersten Mal bemerkbar. Auch wenn sie ihren Arm alleine nicht mehr heben kann, ihre Augen zu schwach sind, um Bilder und Farben zu erkennen, so wollte sie trotzdem helfen, einen Kürbis für unsere Halloween-Party zu gestalten. Ich  frage sie nach einer Farbe, nehme einen Stift und ihre Hand und führe ihre Finger über das Papier. Am Ende entsteht ein Bild, worauf sie stolz sein kann. Sie kann nicht viel sagen, zeigt jedoch, dass es ihr gefallen hat. Auf der anderen Seite des Tisches malt eine mexikanische Seniorin eifrig Kürbis für Kürbis an. Verschiedenste Gesichter entstehen. Ich bin beeindruckt.P1000934_2

Acht Stunden sind vergangen. Es ist Feierabend. Noch einmal drehe ich mich um, winke der Dame an der Rezeption zu. Wir sehen uns nächste Woche! Es ist 17 Uhr als die Tür hinter mir ins Schloss fällt und ich mich auf den Weg in mein neues Heim mache.

Why?

Die Sonne ist schon lange untergegangen. Kaum ein Mensch ist draußen auf der Straße. Es riecht nach Apfel und Zimt – Wintertee mit Grüßen aus Deutschland. Die Kerze auf dem kleinen Kaffeetisch  kämpft um das kleine Flämmchen, welches im Wachs zu ertrinken droht. Es ist 21 Uhr. Während ich in das zarte Licht schaue, versuche ich die letzten Tage noch einmal Revue passieren zu lassen.

Unverständnis

24. Oktober: Ich hatte es aufgegeben, auf ruhigere Nächte zu hoffen, fand mich mit den unglaublich vielen Kompromissen, die wir hier eingehen mussten, ab. Es war nicht schön, in einem Seniorenheim zu leben, für mich nach so langer Zeit nur noch schwer ertragbar. Aber jegliche Bitte um Veränderung der Situation blieb unerfüllt. Auch Druck half nichts. Es wurde viel Versprochen und viel geredet – alles leere Worte. Sieben Wochen liegen hinter mir und noch immer keine neue Unterkunft in Sicht. Warum nur?

Es war ein ganz gewöhnlicher Mittwoch. Müde saß ich im Meeting und versuchte, dem Gespräch zu folgen. Der Chef befand sich für eine Woche im Urlaub. Seine Meditationsgruppe sollte ausfallen, weil es keinen Ersatz für ihn gab. Ein oder zweimal habe ich selbst daran teilgenommen. So richtig meditieren konnte man das nicht nennen, aber den Senioren gefällt es. Es tat mir leid für sie, dass eine doch recht beliebte Gruppe entfallen sollte. Spontan übernahm ich den Kurs für 11 Uhr.

Es war eine gute Runde. Die Senioren waren dankbar für jedes Wort. Wer zur Meditation kommt ist recht unabhängig und mental noch gut dabei. Wir konnten diskutieren, uns richtig unterhalten. Eine Seltenheit hier. 30 Minuten vergingen wie im Flug. Anschließend: Mittagessen mit den Bewohnern außerhalb AgeSongs in einem kleinen Burger-Restaurant namens „Flippers“. Mit Rollstuhl, Gehhilfe oder selbst zu Fuß – wer kann, darf mit. Beim Essen werden Portionen geteilt. Ein komplettes Gericht wäre zu viel für die Senioren. So mancher Diabetiker darf ausnahmsweise essen, was ihm Spaß macht. So manche Dame blüht auf und plaudert, wie nie zuvor. Es ist gewöhnungsbedürftig, aber auf keinen Fall unangenehm.

P1000905_2Wer könnte man nach einem doch bisher recht schönen Tag an etwas Negatives denken? Ich hatte heute Spaß bei der Arbeit. Im Keller kreieren wir die Dekoration für eineP1000913_2 kleine Halloween-Party. Ein kleines Geisterschloss für Minigolf, eine Hexe, die im Kessel kocht. Ein Geist mit leuchtend blauen Augen, eine Spinne und ein Kürbis-Mobilee trocknen unter dem Klavier. Alles wartete auf seine Vollendung. Am Freitag sollte es fertig sein. Nach einer kleinen Mittagspause wollten wir in den Endspurt gehen. Doch daraus wurde nichts.

Ohne Worte

Wir hatten das Gebäude AgeSongs noch nicht betreten, schon spürte ich, dass etwas nicht stimmte. Einige Interns sahen uns nur an oder machten einen Bogen um uns. Unser Supervisor – zu gut deutsch Leiterin – trat zwischen uns und wollte mit uns reden. Sie brauchen unser Zimmer für eine neue Mitbewohnerin. Ganz plötzlich und unerwartet, wie aus heiterem Himmel. Ich verstand nicht ganz, was sie meinte. Wir hatten keine andere Unterkunft. Ständig wurde uns erklärt, dass es kein anderes Zimmer für uns zum Wohnen gab. Und plötzlich sollten wir aus unseren acht Quadratmetern ausziehen?

Ein weiterer Intern kam auf uns zu. Sie sei für uns Freiwillige aus Deutschland zuständig. „Hi Leute“, sagte sie, „ich habe schlechte Neuigkeiten. Naja, eigentlich sind sie nicht so schlecht, aber ja. Wir brauchen euer Zimmer und müssen euch somit umquartieren.“  Verzeihung. Wie bitte? „Wir haben zwei Möglichkeiten für euch: entweder das Zweitbettzimmer gegenüber von euch oder eins im anderen Gebäude. Da könnte es jedoch sein, dass ihr jeden Tag erneut umziehen müsstet, weil wir die Zimmer dort brauchen.“ Ich starrte sie an. Hatte ich das grade richtig verstanden? Sieben Wochen lang hatte es keine Möglichkeit gegeben, uns ein anderes etwas größeres Zimmer zu geben und plötzlich das? Erst vergangenen Freitag hatten wir das Thema diskutiert und da war ein Zimmerwechsel sofort abgelehnt worden.

Wir hatten jetzt die Wahl zwischen einem Zimmer, wo wir zwei Menschen haben sterben sehen müssen, oder einem Raum, wo wir morgen womöglich gleich wieder rausgeschmissen werden. Das konnte nicht ihr ernst sein. Hatten wir nicht die letzten sieben Wochen genug mitmachen müssen? Mir standen die Tränen in den Augen, gleichzeitig kroch die Wut in mir hoch. Ich konnte nicht mehr. Ich war mehr als an meinen Grenzen angekommen. Meiner Mirfeiwilligen ging es ähnlich. „Wann?“, fragte ich leise. Ich sah ihr direkt in die Augen. „Wann müssen wir unsere Sachen packen?“ „Am besten gleich, so früh wie möglich.“ Ich holte tief Luft. Das war ein Albtraum. „Hi Leute, ich weiß, dass ist nicht so, wie wir gedacht haben. Aber wir arbeiten weiter an eurem Appartement. Echt. Aber jetzt muss es erst mal so sein. Wir brauchen den Raum für eine neue Seniorin. Da müsst ihr leider Platz machen. Aber so schlimm ist das ja nicht. Macht einen Spaziergang und packt dann eure Sachen, ja?“

Mehr hörte ich nicht. Ich ließ sie in der Lobby stehen und stürmte nach draußen. Umziehen? Gleich? Sie suchen ein Appartement? Ich hatte diese leeren Worte satt. Seit sieben Wochen wird viel geredet, nichts getan. Wir sind geduldig, machen alles mit, und nun das? Ich sah durch die Glastür. Zwischen Interns, die auf sie einredeten, und quatschenden Senioren stand meine Partnerin genauso fertig wie ich. Ich ging hinein in Richtung Zimmer. Dort standen Hausmeister und Techniker, Supervisor und andere Mitarbeiter der AgeSong Leitung. Auf meinem Bett und Koffer Schraubenzieher, Verpackungen und Kabel. Mein Kuscheltier lag auf dem Boden zwischen Schuhen und Staub. Ich nahm meine Partnerin bei der Hand und zwängte mich ins Zimmer. Ohne auf die anderen zu hören packte ich alles zusammen, was mir lieb und teuer war. Ich wollte nichts mehr hören, nichts mehr sehen. Mir fehlte jegliches Verständnis für diese Situation. Ich schnappte mir meinen Laptop suchte mir eine ruhige Ecke, um nach Deutschland zu telefonieren. Ich wusste nicht mehr, was ich tun sollte. In diesem Moment wollte ich nur noch nach Hause.

Und trotzdem geht es weiter

Ich brauchte eine Weile, ehe ich mich beruhigt hatte. Ohne eine Miene zu verziehen gingen wir zurück. Inzwischen waren Haustechnik und -leitung wieder verschwunden. Wir packten unsere Sachen. All‘ zu schwer war das nicht. Nur wenig war ausgepackt. Die letzten Wochen hatten wir schließlich aus unseren Koffern gelebt. Wir wussten nicht genau, wohin, waren uns jedoch sicher, dass wir lieber jeden Tag umziehen wollten als in einem Zimmer zu leben, wo wir so viel Leid gesehen hatten. Wir brachten unser Gepäck auf die andere Straßenseite. Erneut versuchte jeder auf uns einzureden. Im Fahrstuhl wollte man uns weis machen, dass dies eine einzigartige Erfahrung sei. Ohne Verschönerung, sachlich und klar erklärte ich noch einmal, wie wir uns fühlten, welche Probleme wir haben und wie schwierig uns das Leben hier fällt. Aber auch das hatte ich schon öfter getan und trotzdem gab es bisher keine Veränderungen.

Wir betraten unser neues Zimmer. Es war größer, zwei Betten, ein Schrank. Die Mitarbeiter der Etage sahen uns voller Mitleid an. Sie boten uns jeder Zeit ihre Unterstützung an. Das war lieb gemeint, aber momentan wollte ich nichts mehr sagen, nichts mehr hören. Noch immer kämpfte ich mit den Tränen, dachte an zu Hause, Familie und Freunde. Was nun?

Wir fuhren mit dem Fahrstuhl nach unten. In Gedanken versunken stieß ich fast mit der Köchin zusammen.  Sie sagte etwas über eine Idee, einen Plan, ein Zimmer in einem anderen Appartement. Ich konnte ihr nicht ganz folgen. Sie nahm uns mit nach draußen auf die Straße, rief unserem Supervisor zu, dass wir losfahren könnten. Es hatte sich ein Zimmer in einem Appartement gefunden, wo wir bis zum Umzug in unsere eigenen vier Wände leben könnten. Hinterm Golden Gate Park, in der Nähe vom ‚Ocean Beach‘.

Ein Lichtblick

Zu viert fuhren wir in einem Caprio gen Westen. Die Sonne strahlte, der kalte Wind blies mir durch die Haare. 25 Minuten später erreichten wir das weiße Zweifamilienhaus. Ich wusste inzwischen, dass der Eigentümer des Hauses den Gründer AgeSongs kannte. Das Appartement war zum Seniorenheim umgebaut wurden. Unten leben Senioren, oben wohnt der Hausherr selbst. Wir wurden freundlich begrüßt. Recht unsicher betrat ich das Haus. So richtig sortiert hatte ich die letzten zwei Stunden in meinem Kopf noch nicht. Wir wurden durch einen langen Flur in ein großes geräumiges Zimmer geführt. Dort stand ein Bett, ein großer weißer Einbauschrank, zwei Nachtschränkchen, ein kleinerer Schrank und ein gro.ßer Spiegel. Diesen Raum stellte uns der Eigentümer für die nächsten Tage zur Verfügung. Er führte uns weiter herum in eine kleine Küche mit Kühlschrank, Reiskocher und Mikrowelle. Er bot uns an, seine eigene Küche zu benutzen mit Herd und Ofen, Töpfen und Pfannen. Zum  Kochen, wann immer wir möchten.

So vieles wäre hier einfacher, entspannter. Endlich könnte ich Arbeit und Privatleben trennen. Meine ‚Kollegen‘ würden mich nicht mehr verschlafen im Pyjama sehen. Ich könnte mir mein eigenes Essen zubereiten, Nahrungsmittel lagern und ruhig schlafen. Ausruhen und entspannen am Wochenende und nach der Arbeit. Er führte uns hinaus auf die Terrasse. Die Aussicht war unglaublich. Blick auf das blaue Meer. Hohe Wellen brachen am Strand, Möwen flogen in der Luft und die Sonne spiegelte sich auf dem Wasser des Pazifiks. Ein Gefühl der Erleichterung. Es ist eine Veränderung, wenn auch nicht optimal. Nur eine Nacht noch bei AgeSong. Ein paar Kleinigkeiten müssen erst geregelt werden. Aber der Umzug steht bevor. Donnerstag 10.30 Uhr. Ein Lichtblick.

Scary America

Sie diskutieren um ihre Zukunft, versuchen die besten Argumente und Antworten zu finden. Amerika schaut kritisch auf die beiden Kandidaten. Nur noch wenige Tage bis zur entscheidenden Wahl. Zum Glück gibt es hier noch ein oder zwei Bewohner, die einer Debatte zwischen Präsident Obama und Herausforderer Romney folgen können.

Es ist 18.30 Uhr. Gemeinsam mit einem Kurzzeitresidenten schaue ich gespannt auf den Fernseher. CNN überträgt die Debatte live. Im Hintergrund schreit eine Bewohnerin herum. Ihre Sätze haben weder Sinn noch Inhalt. Eine mexikanische Seniorin schüttelt am anderen Ende des Tisches den Kopf. Sie mag vielleicht nur wenig Englisch verstehen, aber auch ihr geht das laute Gequäke auf die Nerven. Ich drehe die Lautstärke auf.

AgeSong ist nicht nur Heim für alte und kranke Senioren. Vor drei Jahren wurde hier das begleitete und unterstützende Wohnen eingeführt. Für Menschen, die eine Zeit lang im Krankenhaus gelegen haben, stellt diese Institution eine Art Brücke dar. Sogenannte „Kurzzeitbewohner“ können hier wenige Wochen bzw. Monate wohnen, bürokratische, soziale, familiäre Angelegenheiten klären und dann sicherer und gesetzter nach Hause zurückkehren. Oft ist es leichter, mit ihnen zu arbeiten als mit den meisten Senioren hier. Sie sind noch nicht so physisch und psychisch eingeschränkt, wie die meisten Bewohner und oft wesentlich jünger.

Amerika wählt den Präsidenten – und Deutschland regiert ein Kaiser

Um Abstand von all‘ dem hier zu bekommen, fuhren wir Sonntagnachmittag nach Albany zum Bowlen. Unsere IJFD-Koordinatorin hatte uns eingeladen, sie und zwei ihrer Freunde zu begleiten.

Albany liegt 45 Minuten Zugfahrt von San Francisco entfernt. Es ist ruhig dort. Viel Trubel gibt es nicht. Das Bowlingcenter unterscheidet sich kaum von unseren in Deutschland. Somit war es nichts Besonderes für uns. P1000829_2Ich war nicht verwundert, dass ich gefragt wurde, ob ich schon einmal gebowlt hätte. Schließlich käme ich aus Deutschland und dort gäbe diesen Sport wohl kaum. Mich erstaunt hier nur noch wenig. Ein Mann hatte mich auch schon gefragt, wie das Leben unter einem Kaiser so sei. Ist Deutschland wirklich so weit weg?

P1000825_2Ein Bowlingspiel läuft hier nicht anders ab als bei uns. Kein Highlight, nichts Ungewöhnliches. Eben Bowling wie überall. Doch eins war wirklich niedlich: eine ca. drei Meter große Pin-Figur, tanzend zu einem amerikanischen Mega Hit – vergleichbar mit unserem Macarena-Tanz.

Dass Halloween in der Tür steht, kann niemand mehr übersehen. Jedes Schaufenster, jedes Geschäft und jedes Restaurant ist im Gruselfieber. Süßigkeiten mit dem speziellen Kürbisgeschmack, Eiscreme allá Kürbis, saure Kürbiswürmer, scharfe Kürbiskekse, Kürbisdekoration, Kürbismasken…Kürbis…Kürbis….Kürbis! Nicht zu vergessen die tausend Dracula – Figuren, künstliche Spinnennetze und Geisterkostüme. Welch‘ Abwechslung bot da die Drogerie, als ich meine ganz persönliche Favoritenmaske fand. Aber seht doch selbst… P1000844_3

Inzwischen ist es ruhiger geworden. Die einst kreischende Seniorin ist in ihrem Rollstuhl erschöpft eingeschlafen. Pünktlich zum Ende der Debatte.

around the world

Bisher war San Francisco für mich Golden Gate Bridge, Cable Car und kitschig bunte Weihnachten. Eine Stadt von Fernsehfilm- und Serienimage geprägt mit Großstadtcharme nahe des großen weiten Ozeans. Auch wenn dieser Ort nach zwei Wochen nicht wirklich meinen Vorstellungen entsprach, so habe ich inzwischen neue Gegenden kennengelernt, die – sagen wir – durchaus sehenswürdig sind.

Ich esse keine Käfer – und nein, auch keine Würmer!

Um unseren zehn Quadratmetern Privatsphäre und dem ohrenbetäubenden Dauerlärm in der Community für eine Zeit zu entfliehen, stiegen wir bei schönstem Sonnenschein in den Bus. Dieses Wochenende unternahmen wir unsere erste Reise um die Welt. Nächster Halt: Asien. Um genauer zu sein, China. Nach New York hat San Francisco eines der größten Chinatowns Nordamerikas und ist somit Touristenattraktion schlecht hin. Zwischen Kitsch und Tantel, von Schirmchen und Fächern bis hin zum Mini-Buddha und zur original nachgemachten Tracht konnte jedes Besucherherz erfreut werden. Nun ja, wer es mag, kann sich daran erfreuen. Ich suchte vergebens nach der Tradition des Landes, der chinesischen Kultur und der Architektur und Kunst, die China so einzigartig macht.

Es war schade zu sehen, dass hier bis auf kleine Ausnahmen der Tourismus regiert. Menschen und Massen tummeln sich an den kleinen Ständen, die hier und da etwas besonders günstig verkaufen oder durch Glücksrad und Lose ziehen für Aufmerksamkeit sorgen. Meist sind es DvD’s oder technische Geräte, Fertignudeln und amerikanischer Bubble Tea. Hier und da erklingt ein Hauch Musik, wie man sie aus chinesischen Restaurants kennt. Aber um herauszubekommen, woher die Klänge kommen, fehlt die Sichtweite. Menschen drängeln, schieben und versuchen, den mitten auf der Straße stehenden Leuten auszuweichen.  Wer genau hinhört, kann ein Wirrwarr an Sprachen erkennen, ein bisschen Chinesisch, Englisch mit verschiedenstem Akzent, ein Deutscher amüsiert sich über das chinesische Bier und dem Spanier erscheinen die im Schaufenster aufgehängten Brathähnchen suspekt.

Eine Querstraße weiter erreichen wir die Gemüse- Obst- und Fleischstände Chinatowns. Kaum ein Satz Englisch wird gesprochen. Preise und Produkte sind durch Zeichen und Symbole gekennzeichnet. Hier werden wohl keine „Ausländer“ erwartet. Hier wird chinesisch verkauft, kommuniziert und gehandelt. Ein Verkäufer zeigt auf einen Korb voll brauner Kleinigkeiten. Ich schüttele den Kopf. Auch als er nach kleinen halbrunden Köstlichkeiten greift, winke ich ab. Ich esse keine Käfer – und nein, auch keine Würmer. Ich war mir sicher, dass er kein Wort von dem verstand, was ich sagte. Genauso wenig verstand ich sein Gebrabbel. Delikatesse hin oder her. Als mich zwischen Tomaten und Weintrauben der frisch geköpfte Fisch von der Seite anschaute, wollte ich so schnell wie möglich in meine Touristen-überschwemmte Straße zurück.

Was wäre ein Besuch in China ohne Drachen und Mythen?

Wir schauten uns noch einmal um und traten dann den Rückweg in Richtung Amerika an. Bevor wir China verließen hier und da noch schnell ein Foto mit Reishut, Drache und Hasen – warum eigentlich Hasen? P1000318_2 Plötzlich war unweit entfernt Musik zu hören. Eine Gruppe von zehn chinesischen Musikermädchen hatte uns eingeholt. Mit Trommeln, Klangspielen und in roter traditioneller Tracht gekleidet sollten sie den Anfang einer kleinen Parade darstellen, gefolgt von Prinz und Prinzessin, Artistenquartett und natürlich dem chinesischen Drachen. Stolz präsentierten viele kleine Kinder den großen Kopf und langen Schwanz des Mythos‘. Mit lautem Getrommel und Klingklang verschwand die Truppe in der Menge und wir ließen das Tor ins ‚Reich der Mitte‘ hinter uns.

Von Winnie Puuh im Disneyland zum Weihnachtsmann am Nordpol

Wer sich auf eine Reise in die USA begibt, der plant auch ordentlich Karenzraum in seinem Koffer ein. Shoppen ist wohl ein Muss für jeden. Da hier vorbildlicher Weise die Geschäfte sonntags öffnen, nahmen wir uns dies für den zweiten Tag des Wochenendes vor. ‚Macy’s‘ war das heutige Ziel. Das Einkaufszentrum schlecht hin. Es war schon von Weitem zu erkennen und somit nicht schwer zu finden. Viel interessanter als das pompöse Gebäude auf der anderen Straßenseite war jedoch ein kleiner Laden in der Nebenstraße mit der Aufschrift ‚Disney‘. Wer kann dazu schon nein sagen?

Der Laden glitzerte und funkelte. Freundliche bunt bemalte Wände, Soundtracks der Disneyklassiker spielten leise im Hintergrund. Links und rechts Kleider, Kostüme und Figuren. Spielzeug, wohin das Auge reicht, Puppen und Kuscheltiere an jeder Ecke. Ob Dumbo, Cinderella, Micky Mouse oder Winnie Puuh – jedes Kind findet hier sein ganz persönliches Idol. Und dann sah ich sie. In orange, gelb, grau, pink und braun, brav auf dem Regal sitzend zogen mich Winnie Puuh und seine Freunde aus dem Hundertmorgenwald in ihren Bann. Sie waren so groß und plüschig, kuschelig weich. Mit leeren Händen zurückkommen? Unmöglich. Unser neues Familienmitglied heißt I-Aah.

P1000351_2Natürlich betraten wir einige Minuten später ‚Macy‘s’ . Acht Etagen mit Kosmetik, Schuhen, Klamotten, aber auch Bettwäsche, Elektronik und Teppichen. Jeder Stil, jede Firma und jede Modekollektion der Stars und Sternchen war hier zu finden. Zwischen unbezahlbaren  Kleinigkeiten befanden sich Regale und Kleiderständer bis zu 75% reduziert. Um sich dort durchzufinden, braucht man mindestens drei Tage. Heute blieb es beim schauen und staunen. Ganz oben angekommen fanden wir uns zwischen Rudolph dem Rentier und dem Weihnachtsmann wieder. Willkommen am Nordpol. Von Weitem war alles prachtvoll geschmückt, alles glitzerte, glänzte und leuchtete. Je näher ich jedoP1000365_2ch diesen vielen dekorierten Weihnachtsbäumen kam, umso unweihnachtlicher wurden sie. Da hing Hello Kitty an dem einen, Disney Figuren an dem anderen. Ein weiterer Baum wurde der Hippie-Szene gewidmet mit Peace-Zeichen und bunten Blumen. Wer den guten erzgebirgischen Nussknacker kennt, wird etwas enttäuscht auf die amerikanische Kopie schauen und natürlich sind Räuchermännchen und Pyramiden nicht unbedingt Verkaufsschlager. Aber was nicht ist kann ja noch werden. Immerhin ist erst September. Ob es Ende Oktober auch einen Gruselbaum für Halloween geben wird?

Ich glaube jedoch, dass Weihnachten in San Francisco hell erleuchtet, bunt und vollkommen anders sein wird. Ob besser oder nicht – wer weiß. Auf einen Versuch lasse ich es gerne ankommen.

Welcome to San Francisco!

27 Stunden liegen hinter mir. 27 Stunden voller Stress, Hektik, Kontrollen, Fliegen und Abschied nehmen. Ganz einfach war das nicht. Gegen alle Befürchtungen verlief jedoch die Reise einfach und unkompliziert. Ohne Streik und ohne Verirrung auf dem Flughafen in London Heathrow bin ich überpünktlich in San Francisco gelandet. Aber dann…

Das Visum und der gewollte Stempel für ein Jahr Aufenthalt. Ich weiß nicht, wie oft ich die Frage nach dem Grund meiner Reise beantworten musste, wie oft ich bestätigen sollte, dass dies mein freier Wille ist und wie oft wegen meines Vorhabens die Stirn gerunzelt wurde.

Aus dem Flugzeug ausgestiegen ging es in die Visa-, Non-Visa-, New Immigration- und Citizens Kontrolle. Wartezeit: 40 Minuten. Ich dachte an Sally von AgeSong, die mich abholen wollte und somit die ganze Zeit draußen wartetn musster.

Freiwillig? – Ja.

Endlich war ich an der Reihe. „Haben Sie das weiße Formular im Flugzeug nicht bekommen?“ – Nein, nur das Blaue. „Sie brauchen aber das Weiße Formular. Bitte füllen Sie jetzt das Weiße aus und kommen Sie danach wieder zu mir.“ Blaues Formular, weißes Formular… Nun gut. Mit meinem blauen Formular und dem zusätzlichen Weißen marschierte ich nun wieder zum Schalter. „Warum haben Sie ein Visum? Was machen Sie hier? Freiwillig?“ Ähm, ja? Nachdem auch hier die Fingerabdrücke nur bei mehrmaligen Versuchen sichtbar wurden, durfte ich also durch. Dachte ich. Jetzt ging es erst einmal zur zweiten Visa-Kontrolle.

Erneut die gleichen Fragen. Skeptisch beäugte mich die Security und wollte mir anfangs mein Visum für ein Jahr nicht genehmigen. Sechs Monate, 180 Tage und nicht mehr. Er wollte meinen Vertrag sehen. Natürlich hatte ich diesen dabei, aber in Deutsch! Ungelesen bekam ich das Dokument zurück. „Sit down!“ Mit einer kleinen Handbewegung wurde ich auf einen unbequemen, harten Stuhl platziert. Erneutes Warten. 20 Minutenspäter drückte mir die Security meinen Pass in die Hand und wünschte mir einen angenehmen Aufenthalt. Ich lief schnellen Schrittes weiter, um mein Gepäck zu holen. Ich hoffte nur, dass alles vollständig angekommen ist. Nichts. Kein Mensch mehr da, nur noch vereinzelt herrenlose Koffer. Dann aber sah ich meine beiden Gepäckstücke ganz am Ende der Halle. Allgemein ist alles in den USA irgendwie riesig und doch eigentlich recht gut organisiert.

Die Straßen von San Francisco

Sally empfing mich warm und herzlich. Auf der Autofahrt zu AgeSong zeigte sie mir etwas die Stadt, wenn auch durch unabsichtliches Verfahren. Auffällig war dabei der doch recht lockere Fahrstil. Rechts abbiegen über drei Spuren hinweg und das Freitagnachmittag auf einer vierspurigen Schnellstraße – so fest konnte ich mich an meinem Sitz gar nicht festhalten. Die Straßen sind wirklich extrem. Steil rauf und steil runter, wie man es aus Serien und Filmen kennt. Das Ignorieren von Ampeln und Verkehrsschildern scheint Mode zu sein. Mitten auf der Straße anhalten und nach dem Weg fragen – kein Problem. Blinken? Wozu. Hand raushalten geht schließlich auch. Also ungefährlich ist das nicht.

AgeSong

Bei AgeSong angekommen wirkte das Haus auf mich sehr schön und einladend. Die Menschen hier sind offen, sehr nett und unglaublich zuvor kommend. Die Freude über die Freiwilligen aus Deutschland war allen anzusehen. Wir bekamen ein extra Begrüßungsschild an unsere Zimmertür gehängt, auf unseren Betten stand jeweils ein Willkommenskorb mit Obst Prospekten, Süßigkeiten und Getränken. Das Bett selbst hat natürlich ganz andere Maße als in Deutschland, aber irgendwie passte meine Bettwäsche letzten Endes doch.

Nachdem ich unendlich viele neue Menschen kennengelernt und das Haus besichtigt habe, bin ich nach nun fast 28 Stunden doch kaputt und erschöpft. Unser kleines Zimmer bestehend aus zwei Betten und drei Schränken muss für die erste Woche reichen. Bald soll es eine neue Unterkunft geben, die nicht gleichzeitig Arbeitsstelle ist. Eine tolle Idee.

Morgen hoffe ich zu erfahren, was wohl meine Aufgaben sein werden. Arbeitsbeginn ist an Wochentagen 9.30. Doch erst einmal gibt es einen kleinen Empfang. Und dann mal schauen, was San Francisco zu bieten hat.

 

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Ausreiseseminar

Er wackelt, ist mürbe, hält dem gewaltigen Druck kaum noch stand. Ameisen krabbeln an unseren Füßen hoch und erschweren uns, das Hindernis zu bewältigen. Nicht locker lassen oder aufgeben. Zusammenhalten heißt es. Nur gemeinsam können wir uns auf dem zehn Zentimeter breiten Baumstamm halten und jedem Einzelnen helfen, seinen Platz zu erreichen. Es dauert seine Zeit, braucht Geduld und den ein oder DSC_0103_2anderen klaren Bewältigungsvorschlag, bis sich 25 junge Menschen dem Alter nach geordnet auf einem Baumstamm sortiert haben ohne ihn auch nur ein einziges Mal zu verlassen. Was wir hier machen? Unser 12-tägiges Ausreiseseminar!

Gemeinsam mit dem Programm „weltwärts“ bereiten wir uns auf unseren Internationalen  Jugendfreiwilligendienst (IJFD) in der Jugendbildungsstätte Peseckendorf vor. Unsere kleine Gruppe von neun jungen Leuten wird es für 6-18 Monate nach Kreisau (Polen), Hongkong (China), Mosambik (Südostafrika), Athen (Griechenland) oder San Francisco (USA) ziehen. Wir wollen in Kultur und Bildung selbst aktiv werden, allein oder im Team Projekte verwirklichen, Erfahrungen in neuen Ländern mit anderen Kulturen sammeln, soziale und interkulturelle Kompetenzen erweitern und uns für die Gemeinschaft engagieren. Das Ausreiseseminar soll uns helfen, Unklares zu ordnen, Antworten auf Fragen zu finden. Die Neuheit des IJFDs macht ihn so reizvoll und doch ist er in seiner Durchführung noch flexibel und ausbaufähig. Nach 12 Tagen etwas Sicherheit im Hinblick auf unseren Auslandsaufenthalt-das erhoffen wir uns.

Das Programm

Unser Programm ist alles andere als trocken, langwierig und straff. Durch Lena von der LKJ Magdeburg und Georg, einem ehemaligen „weltwärts“ Freiwilligen in Laos, wird Theorie greifbar und verständlich. Was bedeutet Selbsterfahrung und -wahrnehmung?  Welche Bedeutung haben „Gender“ und „Entwicklungszusammenarbeit“? Und wie passen Kommunikation und Konflikte oder Kooperation und Teamarbeit in unseren Alltag? Die Themen helfen uns, über den Tellerrand hinauszuschauen. Der Kreativität unseres Programmes sind keine Grenzen gesetzt. Mit warm up‘s, Spielen, künstlerischer Gestaltung oder auch intensiven Diskussionsrunden lernen wir jeden Tag mehr über uns, unser Umfeld und unser Wirken auf andere Menschen. Referenten kommen als Gäste und bringen neue Impulse und Ideen mit. Je länger wir zusammen sind und je mehr Aufgaben wir als große Gruppe bewältigen müssen, umso eingespielter ist unser Team. Feedbackrunden reflektieren unser Wirken auf Andere und nach und nach können wir immer mehr die Themen und unseren anstehenden Freiwilligendienst miteinander verknüpfen.

Die „weltwärts“- Freiwilligen hatten das Glück, einen Tag ganz ihrem zukünftigen Zielland zu widmen. Referenten  und ehemalige Freiwillige der jeweiligen Einsatzländer kamen zu Besuch und gaben Antwort auf noch so kleine Fragen. Da der IJFD noch in den Kinderschuhen steckt, gab es für uns diese Möglichkeit noch nicht, aber wir freuen uns, zukünftigen IJFD’lern diese Tür zu öffnen, indem wir in einem Jahr als ehemalige Freiwillige fungieren können.

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Was gehört neben Wissensvermittlung und Horizonterweiterung noch zu unserem Ausreiseseminar? Unsere gemeinsamen Abende natürlich. Sie sind weder festgelegt noch verplant. Wir haben die Möglichkeit auf Spiele, Sport, Filmabende, aber auch Grillen, sitzen beim Lagerfeuer und Gitarrenklang. Ein kleines Highlight war die Nachtwanderung, ohne Worte, Hand in Hand über Stock und Stein, auf dem Feld und durch den dunklen Wald. Wir sind eine Gruppe mit dem gleichen Ziel. An diesem späten Abend war das deutlich zu spüren.

In den letzten Tagen des Seminars standen noch Themen wie Gesundheit und Sicherheit, Privilegien und Macht aber auch eine konsumkritische Stadtführung durch das naheliegende Magdeburg auf dem Plan. Woher kommt die Jeans? Wie sorge ich für mich in meinem Einsatzland? Was verbirgt sich hinter dem Begriff “interkulturelle Kompetenzen”? Die Präsentation der Wochenaufgabe an unserem letzten Abend verleiht dem Seminar den letzten Schliff. Bald trennen sich unsere Wege. Wir werden uns wieder sehen, in 12 Monaten zum Rückkehrseminar. Mit vielen Erfahrungen, Erlebnissen und neuen Perspektiven.

 

 

 

during the past few months…

Visum? – Häkchen. Flug? – Häkchen. Impfungen und Reiseapotheke? – Häkchen, Häkchen. Meine Checkliste betrachtend bin ich eigentlich gut dabei. Was mache ich nur in den letzten 15 Tagen auf deutschem Boden? Eigentlich kann ich meiner Reise ganz relaxed entgegen schauen. Doch die letzten Monate waren alles andere als entspannend…

Ich überspringe mal die Bewerbungsphase, denn ich denke, dass es ganz logisch ist, nicht nur eine einzige Bewerbung zu schreiben. Oft auch in die jeweilige Landessprache übersetzt.

29. Juni 2012, 21.58 mitteleuropäischer Zeit:

Nach langem Warten und ungeduldigem checken der E-Mails im Minutentakt war es endlich soweit. Die Zusage von AgeSong Senior Communities lag in meinem Postfach. Ein Jahr San Francisco, leben und arbeiten in den USA! Ich bekomme tatsächlich die Möglichkeit dafür. Eine ruhige Nacht an dem Tag? – Ausgeschlossen.

Ein paar Tage später ging es in die Vorbereitung: Mein Checkliste entstand und wurde immer länger und länger… Ich habe viele Stunden im Internet verbracht. Was muss ich bedenken, wenn ich in den USA leben will? Gibt es bestimmte Voraussetzungen und Formalitäten? Was gibt das Auswärtige Amt über diese Region an? Und wie sind bestimmte Gewohnheiten, die ich beachten muss? Dazu kamen Passbeantragung, Führerscheinreglungen, Zollbestimmungen für bspw. Medikamente, Gepäckvorschriften, Kommunikationsmöglichkeiten nach Hause, Internetverbindung,  Ärztebesuche vor dem Flug und natürlich shopping. Auch wenn ich nicht alles für ein ganzes Jahr neu kaufen kann und will, so sammelt sich doch einiges an, was gebraucht wird. Und das Ganze auch noch angepasst an die Gepäckregelungen der Airline.

Fliegendes Chaos

Ich dachte anfangs, den Flug bei Lufthansa zu buchen wäre besonders clever, weil ich dort gleich einen guten Ansprechpartner hätte. Aber Fehlanzeige. Um heraus zu bekommen, wie viel Gewicht ich mitnehmen darf, musste ich gefühlte hundert Mal die Servicehotline anrufen und habe wohl im Endeffekt mehr Gebühren in diese Anrufe investiert, als mich das zweite Gepäckstück letztendlich kostet. Wo das Problem lag? Ich habe auf der Lufthansa-Internetseite einen Flug gebucht, der zwar eine Lufthansa Flugnummer trägt, jedoch von zwei verschiedenen Airlines schließlich geflogen wird: einmal British Midland International und einmal United Airlines. Nachdem ich auch direkt bei den anderen Airlines in UK und den USA angerufen hatte und Lufthansa sich nicht einig wurde, musste ich einer der mir gegebenen Antworten Vertrauen schenken und hoffe jetzt, die richtige Wahl getroffen zu haben. Spannung bis zum Schluss!

Eintrittskarte ins Land der unbegrenzten Möglichkeiten

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Am Wichtigsten war jedoch zunächst das Visum B1/B2. An die Beantragung des Reisepasses hatte ich bereits gedacht. Die biometrischen Passbilder mit den Vorschriften der USA waren gewöhnungsbedürftig, aber nicht hässlich. Da ich niemanden kannte, der schon einmal einen IJFD absolviert hat, recherchierte ich allein nach den auf mich zutreffenden Bestimmungen. In der Beschreibung stand, dass es durchaus 8 Wochen bis zur Genehmigung dauern kann. Ziemlich knapp, wenn ich Anfang September fliegen will. Der Antrag im Internet nahm eine ganze Menge Zeit in Anspruch. Viele Fragen musste ich mehrmals beantworten, Fragen zu terroristischen Absichten meinerseits und seitens meiner Familie waren schon – ich sag mal – komisch. Aber nun gut, die Geschichte betrachtend auch nachvollziehbar.

Interview

Um keine Zeit zu verschwenden, nahm ich einen Interview-Termin im US-Konsulat in Frankfurt am Main in Anspruch. Berlin wäre von Magdeburg aus zwar deutlich näher gewesen, aber da hätte ich erst Anfang August hinkommen können. Das Risiko wollte ich nicht eingehen. Ich hoffte, alle Dokumente vollständig dabei zu haben und betrat mit leichtem Bauchkribbeln die Botschaft. Es gab intensive Sicherheitskontrollen am Eingang – keine Metallsachen, elektronische Geräte, Waffen etc. Ich habe meinem draußen wartenden Vater alles übergeholfen, was ich hatte und trug nur noch die Papiere in der Hand. Und ich piepste bei der Kontrolle trotzdem. Die Security sah mich skeptisch an, bis sie feststellte, dass ich einen kleinen Metallanhänger an den Schuhen trug. Als ich durch gewunken wurde, fiel mir ein Stein vom Herzen. Ich ging rüber zu einem anderen Gebäude, wo zwei riesige Kerle mit kugelsicheren Westen den Eingang bewachten. Schon eindrucksvoll.
Alles in allem dauerte mein Aufenthalt im Konsulat eine Stunde. Warten, kurz am Schalter 3 Fragen beantworten, warten, Fingerabdrücke geben, warten, nochmal Abdrücke geben, weil die Hände erst zu kalt und zu trocken waren, warten, neuer Schalter, wo mir dann gesagt wurde, dass auf dem Dokument meiner Entsendeorganisation mein Geburtsort und die deutsche Adresse fehlten. Das musste ich jetzt ganz schnell nachreichen. Und genau deshalb war es gut, in Frankfurt den Termin genommen zu haben. So hatte ich noch etwas Karenzzeit bis zum Flug. Und in Frankfurt hatte ich einen wirklich coolen Sachbearbeiter.

Pünktlich

Noch vor meinem zweiwöchigen Ausreiseseminar Anfang August lag mein Visum im Briefkasten. Das war eine Erleichterung. Jetzt schienen Themen wie Unterkunft, Vertrag und Gepäckbestimmungen erst einmal weniger wichtig.IMG_0338_2gepixelt