Bisher war San Francisco für mich Golden Gate Bridge, Cable Car und kitschig bunte Weihnachten. Eine Stadt von Fernsehfilm- und Serienimage geprägt mit Großstadtcharme nahe des großen weiten Ozeans. Auch wenn dieser Ort nach zwei Wochen nicht wirklich meinen Vorstellungen entsprach, so habe ich inzwischen neue Gegenden kennengelernt, die – sagen wir – durchaus sehenswürdig sind.
Ich esse keine Käfer – und nein, auch keine Würmer!
Um unseren zehn Quadratmetern Privatsphäre und dem ohrenbetäubenden Dauerlärm in der Community für eine Zeit zu entfliehen, stiegen wir bei schönstem Sonnenschein in den Bus. Dieses Wochenende unternahmen wir unsere erste Reise um die Welt. Nächster Halt: Asien. Um genauer zu sein, China. Nach New York hat San Francisco eines der größten Chinatowns Nordamerikas und ist somit Touristenattraktion schlecht hin. Zwischen Kitsch und Tantel, von Schirmchen und Fächern bis hin zum Mini-Buddha und zur original nachgemachten Tracht konnte jedes Besucherherz erfreut werden. Nun ja, wer es mag, kann sich daran erfreuen. Ich suchte vergebens nach der Tradition des Landes, der chinesischen Kultur und der Architektur und Kunst, die China so einzigartig macht.
Es war schade zu sehen, dass hier bis auf kleine Ausnahmen der Tourismus regiert. Menschen und Massen tummeln sich an den kleinen Ständen, die hier und da etwas besonders günstig verkaufen oder durch Glücksrad und Lose ziehen für Aufmerksamkeit sorgen. Meist sind es DvD’s oder technische Geräte, Fertignudeln und amerikanischer Bubble Tea. Hier und da erklingt ein Hauch Musik, wie man sie aus chinesischen Restaurants kennt. Aber um herauszubekommen, woher die Klänge kommen, fehlt die Sichtweite. Menschen drängeln, schieben und versuchen, den mitten auf der Straße stehenden Leuten auszuweichen. Wer genau hinhört, kann ein Wirrwarr an Sprachen erkennen, ein bisschen Chinesisch, Englisch mit verschiedenstem Akzent, ein Deutscher amüsiert sich über das chinesische Bier und dem Spanier erscheinen die im Schaufenster aufgehängten Brathähnchen suspekt.
Eine Querstraße weiter erreichen wir die Gemüse- Obst- und Fleischstände Chinatowns. Kaum ein Satz Englisch wird gesprochen. Preise und Produkte sind durch Zeichen und Symbole gekennzeichnet. Hier werden wohl keine „Ausländer“ erwartet. Hier wird chinesisch verkauft, kommuniziert und gehandelt. Ein Verkäufer zeigt auf einen Korb voll brauner Kleinigkeiten. Ich schüttele den Kopf. Auch als er nach kleinen halbrunden Köstlichkeiten greift, winke ich ab. Ich esse keine Käfer – und nein, auch keine Würmer. Ich war mir sicher, dass er kein Wort von dem verstand, was ich sagte. Genauso wenig verstand ich sein Gebrabbel. Delikatesse hin oder her. Als mich zwischen Tomaten und Weintrauben der frisch geköpfte Fisch von der Seite anschaute, wollte ich so schnell wie möglich in meine Touristen-überschwemmte Straße zurück.
Was wäre ein Besuch in China ohne Drachen und Mythen?
Wir schauten uns noch einmal um und traten dann den Rückweg in Richtung Amerika an. Bevor wir China verließen hier und da noch schnell ein Foto mit Reishut, Drache und Hasen – warum eigentlich Hasen? Plötzlich war unweit entfernt Musik zu hören. Eine Gruppe von zehn chinesischen Musikermädchen hatte uns eingeholt. Mit Trommeln, Klangspielen und in roter traditioneller Tracht gekleidet sollten sie den Anfang einer kleinen Parade darstellen, gefolgt von Prinz und Prinzessin, Artistenquartett und natürlich dem chinesischen Drachen. Stolz präsentierten viele kleine Kinder den großen Kopf und langen Schwanz des Mythos‘. Mit lautem Getrommel und Klingklang verschwand die Truppe in der Menge und wir ließen das Tor ins ‚Reich der Mitte‘ hinter uns.
Von Winnie Puuh im Disneyland zum Weihnachtsmann am Nordpol
Wer sich auf eine Reise in die USA begibt, der plant auch ordentlich Karenzraum in seinem Koffer ein. Shoppen ist wohl ein Muss für jeden. Da hier vorbildlicher Weise die Geschäfte sonntags öffnen, nahmen wir uns dies für den zweiten Tag des Wochenendes vor. ‚Macy’s‘ war das heutige Ziel. Das Einkaufszentrum schlecht hin. Es war schon von Weitem zu erkennen und somit nicht schwer zu finden. Viel interessanter als das pompöse Gebäude auf der anderen Straßenseite war jedoch ein kleiner Laden in der Nebenstraße mit der Aufschrift ‚Disney‘. Wer kann dazu schon nein sagen?
Der Laden glitzerte und funkelte. Freundliche bunt bemalte Wände, Soundtracks der Disneyklassiker spielten leise im Hintergrund. Links und rechts Kleider, Kostüme und Figuren. Spielzeug, wohin das Auge reicht, Puppen und Kuscheltiere an jeder Ecke. Ob Dumbo, Cinderella, Micky Mouse oder Winnie Puuh – jedes Kind findet hier sein ganz persönliches Idol. Und dann sah ich sie. In orange, gelb, grau, pink und braun, brav auf dem Regal sitzend zogen mich Winnie Puuh und seine Freunde aus dem Hundertmorgenwald in ihren Bann. Sie waren so groß und plüschig, kuschelig weich. Mit leeren Händen zurückkommen? Unmöglich. Unser neues Familienmitglied heißt I-Aah.
Natürlich betraten wir einige Minuten später ‚Macy‘s’ . Acht Etagen mit Kosmetik, Schuhen, Klamotten, aber auch Bettwäsche, Elektronik und Teppichen. Jeder Stil, jede Firma und jede Modekollektion der Stars und Sternchen war hier zu finden. Zwischen unbezahlbaren Kleinigkeiten befanden sich Regale und Kleiderständer bis zu 75% reduziert. Um sich dort durchzufinden, braucht man mindestens drei Tage. Heute blieb es beim schauen und staunen. Ganz oben angekommen fanden wir uns zwischen Rudolph dem Rentier und dem Weihnachtsmann wieder. Willkommen am Nordpol. Von Weitem war alles prachtvoll geschmückt, alles glitzerte, glänzte und leuchtete. Je näher ich jedoch diesen vielen dekorierten Weihnachtsbäumen kam, umso unweihnachtlicher wurden sie. Da hing Hello Kitty an dem einen, Disney Figuren an dem anderen. Ein weiterer Baum wurde der Hippie-Szene gewidmet mit Peace-Zeichen und bunten Blumen. Wer den guten erzgebirgischen Nussknacker kennt, wird etwas enttäuscht auf die amerikanische Kopie schauen und natürlich sind Räuchermännchen und Pyramiden nicht unbedingt Verkaufsschlager. Aber was nicht ist kann ja noch werden. Immerhin ist erst September. Ob es Ende Oktober auch einen Gruselbaum für Halloween geben wird?
Ich glaube jedoch, dass Weihnachten in San Francisco hell erleuchtet, bunt und vollkommen anders sein wird. Ob besser oder nicht – wer weiß. Auf einen Versuch lasse ich es gerne ankommen.