Dass San Francisco die besonders spezielle Stadt der USA sei, wurde mir nun schon einige Male überschwänglich nahe gelegt. So einzigartig, so unglaublich und so sonderbar soll die Stadt an der Westküste mit seinen rund 800.000 Einwohnern sein. Auch nach einem Monat bin ich noch immer auf der Suche nach dieser Einzigartigkeit, die mich so verzaubern soll.
Fleet Week
Events gibt es hier wie Sand am Meer. Dem einen Festival folgt das Nächste, Musikboxen und Mikrophone werden am Wochenende bis zum Qualmen überstrapaziert. Ballett, Symphonie und Oper streiten sich um Presse und Publikum. Das Highlight der ersten Oktoberwoche: die Fleet Week.
Menschen und Massen kamen an diesem Wochenende nach San Francisco um U.S. Navy und Marine Corps in vollem Glanz zu erleben. Wettstreit der Segel- und Rennboote im „America’s Cup“, Präsentationen der schönsten Millitärschiffe im San Pablo Bay und als Höhepunkt die Flugshow der bereits über amerikanische Grenzen hinaus bekannten „Blue Angels“ – Kunstflugstaffel der U.S. Navy.
Fast 90 Minuten brauchten meine Mitfreiwillige und ich, um von unserer Haustür zum Fishermen’s Wharf zu gelangen. Die Fleet Week ist das Event schlecht hin. Seit 1981 traditionell in der Stadt am Pazifik. Man hatte Besucher von überall her erwartet. Es wäre also der perfekte Zeitpunkt gewesen, um Straßenbahnen mit zwei Wagons oder gar extra Busse einzuführen, damit dem bevorstehenden Verkehrschaos vorgebeugt werden konnte. Nun ja, warum einfach, wenn es auch kompliziert geht.
In der Straßenbahn lernte ich Hank kennen. In den letzten vier Stunden hatte er als freiwilliger Helfer Touristen und Besuchern der Fleet Week in den verschiedensten Zügen geholfen, den Weg zum Fishermen’s Wharf oder zur Golden Gate Bridge zu finden. Jetzt hatte er Feierabend und nur noch einen Besucher, dem er unbedingt helfen musste: mich. Ein Lächeln. Ein Wort. Ein Handzeichen. Ich hängte mich an seine Fersen, während er schnellen Schrittes durch die Massen fegte. Hier und da ein kleiner Hinweis zu Mc Donalds, Wachsmuseum und Co. In kürzester Zeit erreichten wir den Strand, wo sich schon unglaublich viele Leute tummelten. Ab und zu ein Blick nach hinten, ob mich meine Mitfreiwillige noch nicht verloren hatte. ‚Entschuldigung, dürfte ich mal? – Danke. Ähm, könnte ich da mal bitte durch? – Vorsicht. – Ja, ich müsste da mal vorbei. – Achtung, da steht ein Bier. – Sorry…‘ Ich ließ meine Augen nicht von Hanks Base Cap. Irgendwann stand ich zwischen spielenden Kindern und Baseball-Fans im Sand. „Werd sandig, werd dreckig. Du bist hier bei der Fleet Week. Das gehört dazu!“ Hank grinste mich an. Ok. Wenn er das so sagte…
Das Vorprogramm war nur ein kleiner Vorgeschmack auf das, was uns später erwarten würde. In der Zwischenzeit zeigte uns Hank, wie gut amerikanische Schokolade schmecken kann, welches Restaurant das amerikanischste Fast Food zubereitet und welche Schleichwege die Günstigsten sind, um diese Menschenmenge zu umgehen. Er lud mich auf meinen ersten original kalifornischen Wein ein und pünktlich zu den ‚Blue Angels‘ saßen wir wieder im Sand.
The Blue Angels
Mit bis zu 600 Meilen pro Stunde rasten die Flieger aufeinander zu. Ein Ausweichen schien nahezu unmöglich. Die Piloten forcierten einander, steuerten gradewegs auf einander zu. Doch dann ein Aufatmen. In letzter Sekunde eine 90 Grad Wendung und sie kreuzten sich haarscharf. Für einen kurzen Augenblick verschwand das Sechstett hinter den Wolkenkratzern San Franciscos. Nur ein enormer Geräuschpegel der Flugzeuge war noch zu hören.
Von rechts als Linie, als Pfeil, über einander, unter einander. Zu viert, zu sechst, als Doppel. Sie kamen als Block angedüst und trennten sich wie Silvesterraketen am blauen Himmel, Dunstwolken hinter sich herziehend. Sie malten Kreise und Linien in den Himmel. Mit viel Fantasie waren Zeichen und Symbole erkennbar. Ein Feuerwerk der U.S.Navy Kunstflieger bei strahlend blauem Himmel zwischen Golden Gate und Bay Bridge. Vielleicht wäre ich geblieben, hätte mich noch länger mit den Massen mitreißen lassen. Doch langsam ging die Sonne am Horizont unter und der eisige Wind ließ auch die letzte Sommerwärme verschwinden. Völlig durchgefroren kam ich wieder bei AgeSong an. Zurück bleibt meine Erinnerung an einen ganz besonderen Ort.