Sightseeing

Wenn viel Zeit zu bewältigen ist, ich nichts zu tun habe oder die Faulheit siegt, so schweift man oft mit den Gedanken ab und grübelt, überlegt oder erinnert sich an zu Hause, an Familie und an Freunde. Womit bewiesen ist, dass das Leben in über 10.000 Kilometer weiter Entfernung wirklich schön und wirklich schwierig sein kann.

Schauen wir auf die vergangenen Tage. Erlebt habe ich viel, Stück für Stück setzt sich das Puzzle San Franciscos zusammen. Mein erster Besuch in einer amerikanischen Bar war, nun ja, laut. Während zu Beginn eine Band weniger die Musik sondern eher das Brüllen ins Mikrofon als Hauptaufgabe ansah, war die darauffolgende Truppe durchaus angenehm anzuhören. Zum Schluss bekam ich eine CD geschenkt mit der Aufgabe, die Musik nach Deutschland zu tragen und so die Band in meiner Heimat berühmt zu machen. Ich präsentiere meinen Freunden in Deutschland also: „Ian Franklin and Infinite Frequency“.

Von A bis Z peu à peu voran

Endlich war Donnerstag. Endlich fand ein Meeting statt, das Klarheit in die doch recht unsichere Lage bringen sollte. Fragen nach Wohnort, Arbeitsbereich und Vertragsinhalten kamen hier unter anderem  zur Sprache. So wurde von unserer pädagogischen Betreuung und Kontaktperson für alle Fälle noch einmal stark betont, dass unser Freiwilligendienst nicht auf sozialen sondern auf kulturellen Pfeilern aufgebaut werden sollte. Das heißt also weder Pflege der Senioren noch Aushilfe für Küchen- und Pflegepersonal. Damit fiel mir der erste Stein vom Herzen. Ganz langsam kommen wir also in die richtige Richtung.

Was unsere Wohnsituation betrifft, so freue ich mich, dass meine Bitte auf ein eigenes Zimmer ein offenes Ohr fand und akzeptiert wurde. Die Entscheidung zwischen einer eigenen Wohnung zu zweit, jedoch mit gemeinsamen Schlafzimmer, oder einer Wohngemeinschaft mit fremden Studenten, aber dafür mit den eigenen vier Wänden, fiel mir überhaupt nicht schwer. Wo kann man wohl besser Kontakte knüpfen und sich sein eigenes Leben aufbauen als in einer kleinen amerikanischen WG? Ob nun in San Francisco direkt oder an den angrenzenden Städten wie Berkeley oder Oakland ist mir nicht wichtig. Aber um ehrlich zu sein, wäre East Bay gar nicht so schlecht. Hauptsache erst einmal raus aus dem AgeSong Gebäude selbst. Denn das wird ganz langsam unertragbar.

Die Frage nach dem Arbeiten am Wochenende und dafür Freizeit in der Woche selbst, fand bei mir wenig Anklang. Ich wünsche mir einen geregelten Tagesablauf, der mit Veranstaltungen und Events vereinbar ist. Der mir ermöglicht, etwas mit anderen Leuten zu unternehmen und wo Langeweile im Arbeitsleben keinen Platz hat. Was nützen da Wochenenden ohne Programm für die Senioren? Auch hier möchte ich noch einmal das kulturelle Arbeitsfeld betonen – keine Pflege.

Arbeitszeiten, Rahmenbedingungen des IJFDs, und allgemeine Vertragsinhalte waren den Führungspositionen natürlich noch weitgehend unbekannt. Warum? Nun ja, ich hatte zwar meinen Vertrag – von mir und der LKJ unterschrieben – in der Tasche, doch was sollte eine amerikanische Organisation mit einem deutschen Vertrag? Leider ließ die Übersetzung noch immer auf sich warten. Wir haben inzwischen versucht, grob einen Überblick über unseren Freiwilligendient zu geben und antworten auf einfachste Fragen natürlich gerne. Und trotzdem ist dies ein ziemlich wichtiges Puzzleteil, dessen Fehlen unseren Aufenthalt hier nicht unbedingt erleichtert.

Postkartenansicht vom Feinsten

Nachdem ich lange gezögert hatte und geizig auf jeden Dollar schaute, entschloss ich mich doch zu einer Stadtrundfahrt. Mit dem Hop on Hop off Ticket war es möglich ein- und auszusteigen, wann immer ich wollte. Es hing nur von den aufgezeigten Haltestellen ab. Ich beschloss jedoch, die Fahrt komplett zu genießen und erst am Fishermen’s Wharf den Bus zu verlassen.

Die Tour begann für meine Mitfreiwillige und mich ganz in der Nähe unserer Unterkunft. Ich war begeistert von unserer Tourleiterin, die mit viel Witz und Humor jeden Ort zu etwas Bemerkenswertem undP1000165_2 Interessantem machte. Vom wärmsten und sonnigsten Teil der Stadt ging es in San Franciscos berühmtes Hippie-Viertel. Viele Musiker fanden hier ein zu Hause oder brachten über diesen Ort ihre Musik an die Westküste der USA. Wer San Francisco einmal besuchen wird, kann die Hippie-Gegend kaum verfehlen. So bunt, kreativ und originell ist es nirgends.

Der Wind wehte nur so durch die Haare und gab auch der stärksten Frisur keine Chance. Haargummi? Wozu? Ich genoss dieses kleine Stückchen Freiheit.
Über den Golden Gate Park kann ich bis jetzt noch nicht all zu viel sagen. Nur eines dazu: ob der Park selbst mit all seiner Flora und Fauna, oder aber die California Academy  of Sciences, der Japanese Tea Garden und das Conservatory of Flowers  -  der Golden Gate Park wird wohl einige meiner Wochenenden zu einem einzigartigen Erlebnis machen.

Endlich wurde es stürmisch an Deck des Tour-Busses. Endlich wurde es kalt und die Straßenführung deutlich und klar. Links und rechts von uns waren mehr und mehr Sightseeing-Busse erkennbar. Ich machte meine Kamera startklar und blickte gespannt nach vorn.

P1000195_2 Da stand sie im schönsten Sonnenschein, gigantisch und eindrucksvoll wie erwartet. Die Golden Gate Bridge gilt als Wahrzeichen der Stadt und mit einer Stützweite von 1280 Metern zu einer der längsten Hängebrücken der Welt. Von nun an hieß es nur noch drauf halten und knipsen bis der Speicher voll ist. Ich wollte alles festhalten und mitnehmen. Nur eines nicht. Dieser unglaublich starke mir ins Gesicht blasende Wind war nur schwer transportierbar.

P1000246_2

Die Skyline von San Francisco und die Sicht auf den Ozean und die East Bay Area war wunderschön. Segelschiffe wohin das Auge reicht und Alcatraz in schönster Pracht. Allein für diese zehn Minuten hatte sich die Investition in eine Sightseeing-Tour wirklich gelohnt.

P1000236_2Wir kreuzten Japantown und Chinatown, bewunderten das Viertel der Reichen und Schönen und beendeten unsere Reise letztendlich am Pier 39. Ein kleiner Imbiss, ein Blick auf die See und die Bay Area genügte bis wir unseren Heimweg leicht verfroren antraten. San Francisco ist durch die Seeluft wirklich eine recht kühle Stadt.

Und manchmal einfach nichts

Aber wie komme ich nun auf Faulheit und Gedankenkreisen? Nicht jeder Tag ist von Aufregung und Tatendrang geprägt. Manchmal reicht auch einfach ein schönes Sofa, ein Bildschirm und eine Tastatur. Skypen, E-Mails schreiben und Filme gucken, das Alleinsein und auch das ein oder andere tiefe Luftholen befreiend genießen. Ich habe nie gesagt, dass alles ganz einfach ist. Und die kleine Sehnsucht nach zu Hause tat heute gut, denn jetzt freue ich mich auf morgen, eine zweite Arbeitswoche und viele neue Erlebnisse.

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.